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Welche in erster Linie natürlich lautet: „Die Isengrim-Karte hab ich bereits.“. „Zeig mal her. „Hah, und da heißt es, Elfen wären schön … War Zed ein großes Problem?“, verlautete Zoltan und grapschte sich das kostbare Relikt. „Nicht wirklich. Er ist tot. Bin seinen Mördern noch begegnet.“, brummte unser Witcher. „Wir wollen nicht über vergossenen Zed weinen. Aber was ist mit den anderen Karten?“, hakte Zoltan ungeduldig nach. „Ganz schön quengelig auf seine alten Tage, der kleine Mann.“, dachte Geralt amüsiert, aber er hatte ja noch mehr erreicht: „Die hab ich noch nicht. Aber hier, in diesem Kassenbuch steht, wem er die Trümpfe verscherbelt hat.“, und überreichte Zoltan das Heft. Zoltan vertiefte sich kurz darin und kam zu der Erkenntnis: „Den Einträgen zu Folge hat er die Dinger an Caeser Bilsen und Ravvy verkauft. Hätte schlimmer sein können. Wir sollten die Herren besuchen.“. Tatsächlich gab es einen Eintrag mit Bezug auf besagten Caesar Bilsen und Fringilla Figo. Was diesen Ravvy betrifft, da stand in der Rubrik Ausgaben: „Isengrim Faoiltiarne; Karte - Ravvy“. Geralt hatte nicht den blassesten Schimmer, wie Zoltan daraus darauf schließen konnte, Ravvy habe die Karte von Johan Natalis. Man sollte wohl eher schlussfolgern, Zed hat die Isengrim-Karte von Ravvy erworben.

Zoltan war der aufstrebende Geschäftsmann im Glücksspielgeschäft, so sollte er auch entscheiden. Der erklärte auch vollmundig: „Ravvy ist ein ordinärer Falschspieler und Schwindler. Will mir nicht in den Kopf, wo er das Geld für die Natalis-Karte her hat. Hab ihm mal 'ne Tracht Prügel verpasst. Da musst die ihn wohl allein besuchen. Caesar Bilsen ist der Buchmacher von Hacker. War mal in Ordnung, ist jetzt aber arrogant geworden. Man kann mit ihm nicht mehr zünftig trinken oder angeln gehen. Hatten uns damals im Angelverein 'Pontars Stolz' kennengelernt. Da lässt sich Caesar nicht mehr blicken – seine neue Rolle bei Hacker nimmt ihn zu stark in Beschlag. Verlässt kaum noch sein Haus. Dort können wir uns treffen, vor der protzigsten Bausünde auf dem Platz des Hierarchen. Hat seine Fassade golden anstreichen lassen.“. „Gut. Brauchen wir ihn wenigstens nicht suchen.“, brummte Geralt. Zoltan bedankte sich noch einmal bei seinem alten Kumpel für dessen Hilfsbereitschaft und gab in froher Hoffnung den Hinweis: „Wenn du vorher Ravvy aufsuchen möchtest, würde ich zuerst im 'Goldenen Stör' nach ihm gucken. Brauchst Ravvy nicht zu sanft anzufassen. Hau ihm einfach ordentliche hinter seine Löffel, dann gibt er schnell nach. Also, viel Glück, Geralt.“. „Alles klar. Bis denne.“, knurrte unser Witcher und trollte sich, direkt zur Hafenkaschemme Goldener Stör.

Ravvy befand sich im unteren 'Keller-Club' dieser Spelunke und das, in nicht gerade angenehmer Gesellschaft. Geralt erkannte die Pappnasen sofort, der großkotzige Graf und ein Typ mit unheimlich dreckiger Fresse, welche am Vormittag mit dem sogenannten Herzog seinen Freund Zoltan belästigten. Der 'Graf' saß Ravvy gegenüber, vor sich ein böse scharfes Messer in der Tischplatte stecken, die Karten wild auf dem Tisch verstreut. Die Dreckfresse stand hinter Ravvy, um in seine Karten zu gucken, wohl auch, um noch bedrohlicheren und unfaireren Einfluss zu nehmen. „Wie klein die Welt doch manchmal ist … Und wie schnell böse Untaten manchmal ihren gerechten Lohn ...“, dachte sich unser Witcher und trat forsch näher. Der Graf erfüllte die in ihn gesetzten negativen Erwartungen umgehend: „Sieh mal an, dieser verflohte Mutant. Gesell dich doch bitte zu uns. Ravvy liebt Gesellschaft. Sieh nur, wie froh er ist, dich zu sehen. Bist du froh, Ravvy?“. „Er wäre wohl noch froher, wenn man ihm nicht einen Dolch in den Rücken bohren würde.“, knurrte Geralt fast ebenso zynisch. „Aaah, das sagst du nur, weil du die Lage nicht überblickst. Unser gemeinsamer Freund wollte gerade um sein Leben spielen ...“, höhnte der vermummte Graf weiter. „Argh! Ihr habt die Karte, was wollt ihr denn noch?“, stöhnte Ravvy, auch weil ihm die Dreckfresse hämisch grinsend einen deftigen Piekser in die hintere Lende verpasste. Auch der Graf strapazierte sich mit sadistischem Spott weiter: „Hättest du einfach aufgegeben, statt zu versuchen, uns reinzulegen, wären wir längst weg. Leider sind nun alle deine Finger gebrochen. Da muss wohl der Hexer für dich spielen. Wie klingt das?“. „Argh!“, stöhnte Ravvy erneut auf, weil ihm Dreckfresse wieder zur Bekräftigung seinen Dolch in die Nierengegend bohrte. Geralt schloss kurz seine Augen, er musste sich schon ordentlich zusammenreißen … Auch der Hexerkodex verlangt ja, potentielle Monster möglichst sofort zu neutralisieren. Normalbürger weigern sich nur leider oft, solche auch zu erkennen und anzuerkennen. Um unnötigen Ärger in der sonst friedlichen Kneipe aus dem Weg zu gehen, ließ sich Geralt notgedrungen weiteren sadistischen Hohn vom Grafen gefallen: „Siehst du? Ravvy ist dabei. Was sagst du – wir erhöhen den Einsatz ein bisschen, dann kriegt die Sache mehr Pepp: Ravvys Leben und die Natalis-Karte. Einverstanden?“.

Jetzt darf man nicht glauben, Geralt würde das Leben von Ravvy bei einem Glücksspiel wirklich ernsthaft einsetzen, auch wenn der ein elender Falschspieler sein soll. Auch bei einer Niederlage im Spiel, was eigentlich nur schwer denkbar gegen solche Hohlköpfe ist, würde er diesen Punkt 'nachverhandeln'. Und eines war klar, bereits vor dem Rosmarin & Thymian wurde klar ersichtlich, der Graf wird gewaltsam auf eine perfekte Notwehrsituation drängen. Geralt musterte Ravvy, dieser zähe Knochen wird noch eine Weile so durchhalten. So brummte er in weiser Voraussicht: „Also gut.“. „Hah! Und ich hielt dich schon für einen Langweiler. Spielen wir, spielen wir!“, frohlockte der perverse Graf. Geralt zog einen Stuhl heran, trat Dreckfresse dabei absichtlich 'unabsichtlich', aber deutlich, auf seine Plattfüße. Ein 'versehentlicher' Stoß mit dem Ellenbogen in dessen Rippen bekräftigte zusätzlich, vor dir habe ich keine Angst, also halt dich besser zurück. War ab nun dessen Sache, was er daraus macht. Die Karten wurden verteilt und unser Hexer bekam ein tolles Blatt: zwei Joker + einen Hornisten + zwei Blaustreifen im Verband + einen Recken von Crinfrid + eine Heilerin der Artillerie + eine Balliste dazu + zwei von Geralts Lieblingen: die Heldinnen Yennefer und Cirilla. Sollte es wieder aller Erwartungen legal und fair abgehen, wäre die Natalis-Karte wohl schon so gut wie sicher. Das Leben von Ravvy war es sowieso.

Der Graf spielte mit dem Deck: Kaiserreich Nilfgaard und begann mit einem kleinen Bogenschützen a zwei Punkte. Geralt spielte einen seiner Blaustreifen und der Graf konterte mit Eisklirrender Kälte, was diesen auf einen Punkt reduzierte. Da spielte unser Witcher seinen Haudegen von Crinfrid, was den Grafen zu einem weiteren Bogenschützen mit vier Punkten animierte. Okay, dachte Geralt, dies wird ein sehr taktisches Geplänkel und spielte seine Balliste. Der Graf hingegen setzte eine Nahkampfkarte in die eisklirrende Kälte, dann noch eine, dann noch eine … Geralt zog seinen Blaustreifen mittels Joker aus der geschwächten Zone, pushte dafür seine Balliste mit dem Hornbläser. Es stand mittlerweile 18 : 10 zu Geralts Gunsten und er hatte auch 5 : 3 noch auf seiner Hand. Der Graf spielte nun völlig sinnfrei immer weitere Nahkämpfer in die Frostzone. Geralt schwächte mit Foltest die Fernkämpfer des Grafen mit 'Extrem Dichten Nebel'. Immer weiter spielte der Graf Nahkämpfer in den schwächenden Frost, bis … er keine einzige Karte mehr auf seiner Hand hatte. „Was für ein Idiot. Egal ob ganz schlechter Spieler oder reine Provokation, ein absoluter Vollidiot.“, dachte sich unser eigentlich sonst sehr begeisterter Kartenspieler verärgert. Der Graf musste letztendlich beim Stand von 17 : 10 für Geralt passen. Geralt passte mit, hatte noch Ciri, Yen als Heilerin, die weitere Heilerin … was ihm die die Blaustreifen zurückbringen … Nun ja, die zweite Runde war also auch mit X : 0 deutlich im Sack.

Ravvy ließ sich zu einem begeisterten Schrei der Befreiung hinreißen. Doch der Graf knurrte böse: „Zügle deine Begeisterung, Freundchen. Und sitz still, sonst tust du dir noch weh.“. „Jetzt kommen wir wohl zum dem Punkt, wo der Dämon seine Maske fallen lässt und die Krallen ausfährt.“, wusste Geralt sofort. Nur Ravvy protestierte, wenn auch mit bereits geschwächter Hoffnung: „Aber … aber, er hat doch gewonnen.“. Die Dreckfresse griente hinter seinem Rücken, ein unheimliches Glitzern in seinen Augen, was aus seiner rußigen Fratze besonders hell strahlte, wohl vor Vorfreude auf weitere sadistische Ergüsse. Der kannte seinen Chef, denn der Graf sprang mit den höhnischen Worten: „Und? Nun spielen wir was anderes.“, von seinem Sitz. Darauf hatte Geralt gewartet. Die Kanaillen zogen ihre Messer, kamen aber nicht zum Zustechen, denn diese flogen davon, zusammen mit den Händen die sie umfassten, und ja, der Großteil der dazugehörigen Arme war auch noch dran. Zwei weitere Streiche befreiten die geschundene Gesellschaft vollständig von diesem Abschaum. „Danke. Wie soll ich dir nur danken ...“, stammelte Ravvy, nun tatsächlich erlöst. „Die Natalis-Karte wird reichen.“, brummte Geralt den Falschspieler an, denn länger als nötig, will man sich mit so einem auch nicht unterhalten. Doch der gewiefte Betrüger versuchte es: „Oh ja … vielleicht ziehst du eine andere vor? Ich hab da eine ganze Reihe, die dir gefallen könnten ...“. Geralt bedachte das windige Schlitzohr mit einem stechenden Blick und knurrte scharf: „Ich hab es sehr eilig.“. „Oh. Die Natalis-Karte. Natürlich. Bitte. Hier.“ beeilte sich der Betrüger und rückte das seltene Stück heraus. Geralt ließ ihn stehen und trollte sich. Soll sich der Betrüger um die Kadaver seiner Ganoven-Freunde kümmern. Wichtig war, er hatte die zweite Karte für seinen guten Freund Zoltan. Diese sind nicht nur selten, auch mit einem guten Spielwert. Johan Natalis tritt als Karte in Heldenfunktion bei den Nahkampfeinheiten der Nördlichen Königreiche auf, sein stolzer Punktwert beträgt Zehn. Isengrim Faolitarna ist ein Held der Scoia'tael, ebenfalls zehn Punkte wert und Nahkämpfer, dazu mit einer verstärkenden Funktion ausgestattet. Als zünftiger Zocker gewinnt Geralt ja seine Karten lieber im ehrlichen Spiel … Letztendlich will er aber seine Sammlung eines Tages voll haben. Was wird denn Zoltan dafür bekommen, verlangen … war hier die Frage. Zunächst galt es die erleichternde Botschaft und diese Karten zu überbringen.

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Zoltan wartete bereits vor der Bausünde mit vergoldeten Zierleisten. „Ich hab auch die Natalis-Karte.“, gab Geralt als Gruß zum Besten. „Wunderbar! Jetzt bleibt nur noch, Caesar Bilsen zu flöhen. Machen wir es so: Ich beschäftige ihn, du schleichst die nach oben und durchsuchst sein Kuriositätenkabinett. Da findest du die Karte bestimmt. Was sich sonst noch in diesem Kabinett befindet? Nun, du wirst es wohl als Erster erfahren.“. Kaum war dies ausgesprochen, erschien ein Zwerg in prächtigen Kleidern mit einem stattlichen blonden Vollbart vor dem Eingang: „Chivay?!“. „Caesar Bilsen! Weißt du noch, wie wir stritten, wer der König des Pontar ist?“, antwortete Zoltan unbeirrt. „Der Hecht ist König des Pontar.“, antwortete Caesar im vollen Brustton tiefer Überzeugung. „Siehst du, ich bin hier, um klarzustellen, es ist natürlich der Wels. Ich komme auch nicht mit leeren Händen. Der da? Das ist Geralt von Riva.“, antwortete Zoltan gewitzt, um gleich dabei die Anwesenheit unseres Hexer zu rechtfertigen. „Und, hm, angelt Geralt auch?“, fragte Caesar und musterte unseren Witcher skeptisch. „Ja klar. Erst neulich warf ich einen fetten Tauwurm aus und fing einen riesigen Barsch ...“, beeilte sich Geralt zu versichern. „Ha! Im Pontar?!“, wollte Herr Bilsen da begeistert wissen. „Klar doch!“, bekräftigte Zoltan leutselig, als wäre er gestern bei diesem Fang dabei gewesen. Das überzeugte den leidenschaftlichen Angler, sich doch näher mit diesen ungeladenen Gästen … man frönt ja der gleichen Passion und so: „Dieses Gewäsch erträgt ja keiner nüchtern. Kommt rein.“.

Damit waren sie schon im Haus. Angler prahlen gerne mit ihrem Fang und Caesar Bilsen hatte reichlich gefangen. So führte er die vermeintlichen Angelkollegen in sein Esszimmer, wo er seine reiche Beute auf eine silberne Vorlegeplatte drapiert hatte. Ein Hecht bildete den Mittelpunkt, andere Edelfische drumherum. Als Zoltan sich zum Bechern an den massiven Esstisch setzte, verlautete er plötzlich: „Was hilft's, wenn die Zander so gerne und oft beißen … Sie schmecken ja doch wie Scheiße in Seifenlauge.“. Natürlich ließ sich Caesar Bilsen, denn fast jeder Angler ist auch ein guter Koch, diesen Unsinn nicht gefallen und konterte: „Das liegt daran, dass du als Koch so viel taugst, wie ein Ziegenarsch als Klarinette. Unlängst erst hab ich mit frischem Thymian ...“. Da polterte Zoltan respektlos dazwischen: „ … Scheiße mit Thymian zubereitet. Huahahahaha!“. Doch Caesar kannte seine Qualitäten und bestand hartnäckig: „Ruhig! Also unlängst hab ich also mit Thymian ...“. Wieder ließ Zoltan den stolzen Angler und Hobbykoch nicht ausreden und fragte dazwischen: „Geralt, sag auch mal was. Wie schmeckt dir denn Zander?“. Obwohl er am liebsten frische Wolfslebern mag, noch schön blutig und warm, kennt und genießt Geralt natürlich auch die anspruchsvolle Küche. So ein Zander, gedünstet, oder auf den Punkt gebraten … das schmeckt selbst einem Hexer. Zoltan hatte wohl vor, er solle Sympathiepunkte bei Caesar sammeln, damit er sich später ungestört im Haus bewegen kann. Freundlich gesinnten Besuchern mit gleichem Geschmack und Hobbys, denen traut man in der Regel, kratzbürstigen Fremdlingen dagegen, gesteht man eher keine freie Bewegung in seinen heiligen Hallen zu. So sah unser Hexer Zoltan recht verwundert an und brummte überzeugend: „Klar mag ich Zander.“.

Da stichelte Zoltan auch gehässig gegen ihn: „Weil du ein Hexer bist. Verglichen mit den Tränken, die du dir da reinziehst, ist Scheiße ja geradezu eine Delikatesse. Hehehe!“. „Mit diesem plumpen Mist will er uns wohl solidarisieren ...“, dachte sich Geralt. Das ging wohl zum Teil auch auf, denn Caesar musterte ihn erstaunt und brummte: „Ein Hexer also? Hast gar nicht erwähnt, das er ein Hexer ist ...“. Wieder ergriff Zoltan sofort das Wort, um die Unterhaltung auf ihre große Leidenschaft zurückzuführen: „Bilsen, haste schon gehört? Vibbo Batilda warf neulich eine Erbse aus und fing einen Hecht damit.“. Kein reines Anglerlatein, denn wie viele Fischer wissen, kommt dies beim Einholen tatsächlich aber selten vor, der sogenannte Blinker-Effekt. Doch Caesar, als passionierter Hechtangler, entrüstete sich: „Aach, der Schwanzlutscher lügt doch! Pontarhechte sind nicht so blöd, um auf seine miesen Erbsen reinzufallen. Man braucht Lebendköder!“. Das sagt der olle Vesemir auch immer, im Bezug auf erfolgreiches Hechtangeln: „Willst'e einen Großen fangen, musste einen Großen anbieten.“, womit er einen gewichtigen Köderfisch meint, noch schön zappelnd und quicklebendig, wusste unser Hexer. Caesar Bilsen fügte noch an: „Oder große Regenwürmer, aber auf die sind sie weniger scharf. Hab mal einen ausgegraben, der war so fett und herrlich, da ist mir selbst das Wasser im Mund zusammengelaufen, fast hätte ich ihn verschlungen ...“. Auweiha – das klang … grenzwertig. Zoltan klinkte sich ein und warf den Spielball wieder Geralt zu: „Bin nicht so sicher. Geralt, was nehmt ihr in Kaer Morhen?“. Geralt musste wieder nicht lügen, um weitere Sympathiepunkte bei ihrem Gastgeber zu sammeln: „Lebendköder natürlich.“. Da freute sich der eingefleischte Hechtangler: „Siehst du, Chivay? Aus dem wird noch ein zünftiger Angler. So in vierzig, fünfzig Jahren.“.

Damit war Geralt wohl im Club auf und angenommen, so dachte Zoltan und warf ein: „Warten wir's ab. Geralt, hol uns doch noch eine Flasche.“. Klar doch, das der 'Neue' 'ne neue Buddel holt. So antwortete unser Hexer brav: „Gut. Mach ich. Bei der hier seh ich ja schon den Boden.“, und trollte sich umgehend. Natürlich ging er gleich eine Etage höher, um besagtes Kuriositätenkabinett zu suchen. Zoltan tischte indessen gewaltig auf, um Caesar mit immer gewagteren Angelgeschichten zu provozieren. Die redeten also, laut und oft durcheinander, sodass fast ihre harten Zwergenschädel rauchten. Geralt konnte sich also in aller Ruhe umsehen und entdeckte im mittleren Fach von einem Bücherregal ein dreieckiges Loch. Dazu galt es den speziellen Schlüssel zu finden. Auf einer Anrichte unter einem düsteren Ölschinken mit Hafenansicht befand sich ein Messer. Das lag da nicht einfach, sondern war mit der Tischplatte verbunden. Geralt drehte dieses Messer waagerecht zur Wand und siehe da, eine Schublade sprang auf. Darinnen befand sich ein Silbernugget und ein dreieckiger Schlüssel. Und wie dieser in das dreieckige Loch im Regal flutschte. Eine Drehung und zack, eine Geheimtür ging auf, der Klassiker also. So ward das 'geheime' Kuriositätenkabinett in kurzer Zeit gefunden. Unten hauten sich die Zwerge weiterhin lautstark ihre Anglertaschen voll. Geralt konnte sich also auch hier in Ruhe umsehen und fand recht makabere Relikte. Der Schädel eines Enthaupteten, ein gebrauchtes Henkerseil, eine Jadefigur in einem Kästchen auf einer Kommode, nicht geschnitzt, sondern magisch erzeugt … sogar das Tafelgeschirr, von dem Emhyr var Emreis bei seiner Krönung speiste. Auch der Schädel, das Seil - Feinde des Kaiserreichs. Und auf einem ebenso achteckigen Podest, auf feinstem kaiserlichen Sammet, lag auch die Karte von Fringilla Vigo, ihres Zeichens kaiserliche Hofdame und Intrigantin zu Emreis Gunsten.

Geralt hatte was er braucht, dazu nahm er auch die magische Figur mit. Vielleicht konnte Triss ja einen weiteren Gefangen aus solch einer peinlichen Kompression befreien? Intuitiv, Hexer und Naturburschen sagen lieber instinktiv, wusste Geralt, hier gibt’s bald Ärger. Deshalb steckte er sich er auch ein paar Silbernuggets und zwei goldene Halsketten mit Saphiren ein ... der Kerl war ja offensichtlich ein glühender Sympathisant der Schwarzen. Mit dieser Beute ging's die Treppe hinab, um Zoltan dringend aufzufordern: „Wir sollten uns auf den Weg machen. Rasch.“. „Jepp. Das sollten wir wohl. Es ist spät geworden.“, bestätigte Zoltan und erhob sich. Caesar Bilsen mag ja die Kaiserlichen viel mehr mögen wie Nordlinge, aber mit nordischen Anglerkollegen, da trinkt er dennoch gerne. So protestierte er: „Warte doch. Gehst du schon? Was ist mit der Flasche, die du holen wolltest?“.

Geralt musste darauf nicht antworten, denn mit einem gewaltigen Knall flog die Haustür auf, sodass beinahe die Scharniere aus den Angeln knallten. Zwei sehr grimmige Zwerge, ihre Fäuste bereits geballt, zornig gerunzelte Augenbrauen über den Halstüchern bis zur Nasenwurzel, knurrten: „Wir haben eine Nachricht vom Boss für dich, Bilsen. Meister Hacker ist sehr unzufrieden.“. Das war der Ärger, den unser Hexer bereits deutlich in der Luft witterte. Caesar versuchte zu beschwichtigen: „Augenblick mal! Wenn es in den Büchern Ungereimtheiten geben sollte … ich kann sicher alles erklären ...“. So ticken die Jungs von Hacker nicht, wie Geralt bereits von einigen Begegnungen wusste. Die bellten trocken: „Zu spät. Schnappt ihn! Und ihr beiden verschwindet!“. Caesar Bilsen mag pervers sein, weil er Tötungsutensilien sammelt, auch ein besonders glühender Sympathisant der Kaiserlichen, weil diese alle den Tod von Feinden der Nilfgaarder bestätigen … Er hat sie aber in sein Haus gebeten, mit ihnen getrunken, war gastfreundlich. Ob er aktiv jemals für die Schwarzen … oder jemanden denunziert hat … konnte man ihm nicht nachsagen. So entschied Geralt: „Lasst ihn in Ruhe! Zieht Leine!“.

°266
Hackers Jungs kennen nur einen Kodex: „Sieg oder Blut am Schuh!“, so knurrte ihr Vorturner grimmig: „Hacker zahlt bestimmt extra, wenn wir den Hexer töten. Na los, Jungs! Auf ihn!“. Geralts Stahlschwert flog aus seiner Scheide, im Anschluss mehrfach wie ein Blitz quer durch den Raum. Auch der wackere Zoltan hatte seine langstielige Streitaxt schnell erhoben, um sie auf die Knochenbrecher von Hacker zu schmettern. Diese Burschen waren zäh, viel zäher wie Hurensöhne oder diese anderen Kanaillen, welche sich gegenseitig mit Adelstiteln beschimpfen. Am Ende spritzte ihr Blut und ihre Gedärme dennoch gegen die hochwertige Eichentäfelung von Caesar Bilsens luxuriöser Behausung. „Zoltan hackt mit seinem Hackebeil die hackenden Jungs vom Hacker zu Hackbraten.“, feixte Geralt innerlich, denn schon lange hatte er seinen alten Kumpel nicht so herzhaft arbeiten sehen. Und Caesar Bilsen, der 'freute' sich: „Danke. Aber … Ah, wie soll ich das nur Hacker erklären.“. „Schriftlich, würde ich empfehlen.“, riet Zoltan seinem ehemaligen Angelkumpel trocken. „Das wars dann wohl, mit meiner Buchmacherkarriere ...“, wird sich Bilsen gedacht haben und bestätigte auch prompt: „Stimmt. Ich muss sofort packen.“. „Nimm nicht so viel mit. Geh deine Abreise lieber sehr rasch an. Sonst noch viel Glück.“, riet unser Witcher. „Ach ja. Hast du aber ein gutes Herz, Geralt. Übrigens – gute Arbeit bei dem Letzten. Sein Blut spritzte bis zur Decke.“, seufzte Zoltan und bestätigte seinen Spaß bei der Sache.

Geralt erzählte seinem Kumpel kurz von dem makaberen Kabinett seines Anglerkollegen, der nilfgaardischen Eliterüstung, dem Portrait von Emreis und dessen Tafelgeschirr, dem Dolch des Meuchelmörders, dem Henkerseil … „Ach du Scheiße, igitt! Und dem hab ich die Hand geschüttelt … Aber hast du das das Seil eingesteckt … ich kenne da zufällig … für ein hübsches Sümmchen ...“, entrüstete sich Zoltan, teils aber scheinheilig. Das wiederum wollte Geralt nicht hören, so stellte er klar: „Der Kartensatz ist vollständig. Und nun?“. „Jetzt holen wir uns einen Riesenhaufen Gold dafür? Auf geht’s!“, rief Zoltan begeistert und stürmte voran. Geralt ist ja der Meinung: Gold kann man weder essen, noch anziehen, oder einigermaßen hochwertig nutzbare Gebrauchsgegenstände daraus fertigen … Es bietet also höchstens den indirekten Spaß, sich etwas in dieser Richtung dafür kaufen zu können. Wer kauft schon gern, was er auch allein und besser fertigen kann? Wer bezahlt schon gern für seinen Spaß, wenn er diesen auch stolz aus eigener Kraft erreichen kann? Egal. Sollte die Summe nicht zu astronomisch hoch sein, würde Geralt vielleicht sogar mitbieten. Denn beim Gwint-Spiel, da resultiert der größte Spaß aus dem eigenen Können, plus einer Prise Glück versteht sich. Vorab galt es zu sehen, was der Kunde bietet, denn unser Hexer wollte seinen alten Freund nicht unbedingt in Verlegenheit und so. Wer weiß schon, wie hoch dessen Schulden wirklich sind? Doch dieser Kunde war am verabredeten Treffpunkt nicht erschienen. Zoltan war verblüfft. „Hast du Angst, dein Kunde könnte abgesprungen sein oder hat sich anders überlegt?“, fragte unser Witcher in aufkeimender Hoffnung auf die begehrten Trümpfe. „Nein. Dann schon eher ich selbst. Ich hatte so viele Interessenten, kam mir vor wie 'ne verfickte Ballkönigin.“, brummte Zoltan.

An dieser Stelle wurde ihr vertrautes Gespräch unterbrochen, denn ein alter und böse aufdringlicher Bekannter trat auf den Plan, der selbsternannte Herzog: „Endlich Chivay. Ich fürchtete schon, die Leiche ist bereits kalt, wenn du hier aufschlägst. Dein Kaufinteressent gab uns das Geld und ist verstorben. Etwa in dieser Reihenfolge. Es war doch hoffentlich nicht zu mühsam, die Karten zu besorgen?“. „Versuchs mal selbst.“, knurrte unser Hexer grimmig, denn nun, hatte er die Faxen absolut dicke, von diesem selbstgefälligen Arschwichser. Der arrogante Herzog strapazierte sich allerdings höhnisch weiter: „Hahahaha! Du willst mich herausfordern? Ich bin nicht so dumm wie der Graf. Das solltest sogar du langsam gemerkt haben. An die Arbeit Jungs! Den Zwerg brauche ich lebend. Ich muss noch mit ihm plaudern.“, ging darauf aber feige Stiften. „Geralt, der Kerl macht sich mit meinem Geld vom Acker! Mit unserem Geld! Schnell, jage dem Hurensohn nach! Ich kümmere mich um die anderen!“, rief Zoltan aufgeregt. Doch unser alter Kämpe, der Schlächter von Blaviken, hatte die angreifenden Arschwichser längst durchgezählt, fünf im direkten Ansturm, drei weitere in Bereitschaft vor dem nächsten Tor. Diese Halunken schwangen auch nicht diese beschlagenen Keulen, sondern vorzügliche Schwerter und langstielige Hämmer. Recht gute Rüstungen trugen sie auch. Da muss man nicht sinnlos darauf hoffen, die werden das Morden eines Tages von alleine aufgeben, so routiniert und eiskalt wie die angriffen. Geralt zog sein Schwert und ritsch-ratsch, lagen deren verbohrte Schädel im Dreck, schön um ihr letztes Opfer verteilt. Das geschah im Zeitraum von ungefähr … zweimal mit den Augen zwinkern. Wieder schrie Zoltan außer sich: „Los, Geralt, ihm nach! Ich würde dich doch nur bremsen!“.

„Der hat auch schon mehr Freude am Spaß gehabt. Immer nur das verfickte Geld ...“, knurrte unser Hexer ärgerlich, erklomm aber die gleiche die Leiter wie der fliehende Herzog vor ihm. In einem Turm lag eine verletzte Tempelwache am Boden. Die hatte der Fliehende niedergeschlagen. Durch seine blutenden Zahnlücken wies der Wächter Geralt den weiteren Weg. Geralt zischte diesen entlang, über Wehrgänge, durch Wachtürme, bis zu einer weiteren Leiter, die er hinabstieg. Noch eine Etage tiefer, noch eine … bis zum Eingang zur Kanalisation. Hier konnte unser Hexer gerade noch sehen, wie dieser Schuft die massive Gittertür hinter sich verschloss. „Verdammt! Ich muss einen anderen Weg finden!“, fluchte Geralt, fand diesen aber gleich, ein Zugang in die Kloake direkt daneben. Er stürmte die Treppe hinab und wurde gleich hinter dem ersten Knick von drei Ertrunkenen empfangen. So dicht, bei einem offenen Ausgang zur Stadt! Geralt zog sein Silberschwert, ritsch-ratsch, auch diese Monster waren kopflos und stellten keine Gefahr mehr dar. Wo dies geschah, bemerkte er eine brüchige Stelle im Mauerwerk zum Nachbartunnel. Durch diesen floh ja der Herzog. Mit seinem Aard sprengte sich unser Hexer einen Durchgang. Doch in diesem Tunnel lauerten noch mehr Ertrunkene, wohl von dem Fliehenden aufgescheucht und wütend gemacht. Geralt wirkte sein Quen, den Rest besorgte die gute Silberklinge, routiniert und recht schnell. Weiter ging die Hetzjagd im Sauseschritt, denn bis zum nächsten Ausgang, war es nicht mehr weit, das konnte man an einer frischen Brise deutlich spüren.

Da bemerkte unser Hexer eine frische Blutspur auf dem Boden, sehr breit, als hätte ein Schwerverletzter seinen stark blutenden Kadaver in Richtung Ausgang … geschleift. Vor dem Ausgang lag er dann auch, der großkotzige Herzog und stöhnte: „Lass mich … Scheiß-Ertrunkene ...“. „Du könntest wohl einen Hexer gebrauchen.“, stellte Geralt zynisch fest. „Haha. Sehr witzig. Wenn … wenn ich dir das Geld gebe, lässt du mich dann in Ruhe.“, stöhnte der Herzog, nun absolut nicht mehr so selbstgefällig und hochmütig. Geralt musterte den armseligen Wicht. Weit wird der mit diesen heraushängenden Eingeweiden sicher nicht kommen. „Klar. Du kannst gehen … falls du es kannst.“, brummte unser Hexer mit einem müden Lächeln und hielt seine Hand auf. „Haha … Welche Chancen habe ich? Mit diesen Wunden?“, versuchte der Herzog mit grimmig verzweifelter Hoffnung. Das der kein Mitleid mit seinen zahlreichen Opfern kannte war klar. So stellte Geralt sachlich trocken fest: „Eigentlich keine. Bis dann.“, griff sich den prallen Beutel voller Kronen und trollte sich.

Zoltan wartete ungeduldig am Treffpunkt: „Und? Hast du ihn gekriegt? Hast du das Geld? Was ist mit dem Herzog? Hast du es ihm gegeben?“. So viele Fragen. Geralt warf seinem alten Kumpel den schweren Geldbeutel zu und offerierte grinsend: „Nein. Hab ihn laufen lassen.“. „Ach, ich hätte mitgehen sollen. Du weißt doch, er hat es auf mich abgesehen. Jetzt ist er doppelt entschlossen.“, haderte Zoltan enttäuscht. „Das bezweifele ich stark. Falls er es lebendig da raus schafft, in seinem Zustand … wird er auf jeden Fall die Branche wechseln.“, beruhigte ihn unser Witcher. Klar, Zoltan hätte mitgehen müssen, bei dieser für ihn wichtigen Sache … Man muss aber auch nicht zu derbe Scherze auf seine Kosten … Das sah der kleine tapfere Kerl wohl ähnlich und bot großherzig: „Also, Geralt! Was willst du – Geld oder Karten? Ohne dich hätte ich es nie geschafft, also hast du die Wahl. Wenn du das Gold willst, kein Problem, ich finde im Handumdrehen einen neuen Käufer für die Karten.“. Die Entscheidung war leicht und längst getroffen: „Ich würde gerne rausfinden, wie ich mit diesen Karten zurechtkomme.“. Da fiel dem alten Zwergenkämpfer deutlich hörbar ein riesiger Stein vom Gemüt, als er freudig ausrief: „Wunderbar! Ich bring das Gold sofort zum Bettlerkönig! Der Wichser wird Augen machen!“. Mit einem fetten Grinsen wünschte Geralt: „Viel Glück, Zoltan.“. Da rief der überschwänglich zum Abschied: „Danke, mein Freund! Und nicht vergessen – der König des Pontar ist der Wels!“. Ist es nicht schön, wenn man einem alten Freund aus der Patsche helfen kann? Dazu noch der kostbare Lohn … Geralt sortierte die neuen Trümpfe umgehend in die entsprechenden Decks. Jetzt wird sich hoffentlich bald ein anspruchsvoller Gegenspieler finden.

°267
Kabarett

Der Treffpunkt von Zoltans gescheiterten Kartenverkauf befand sich in der Nähe vom Südtor, oder bei der Brücke zum Vorort Arette. Geralt hatte drei neue und seltene Karten, was ihn sehr zufrieden stimmte. Einen lustigen Bolero pfeifend schlenderte am Kanal entlang, mit dem Ziel Rosmarin & Thymian im Hafenviertel. Jetzt war er in der absolut besten Stimmung für einen geselligen Umtrunk mit seinen alten Freunden, einer kleinen Feier anlässlich der Rettung von Rittersporn. Das Schild über dem Eingang von Rittersporns 'Erbstück', diesem alten Kasten aus dem Rotlichtgewerbe, welchen er von einer kulturell interessierten Legende der Unterwelt Novigrads überschrieben bekam, des perversen Hurensohn Juniors Vater, hing etwas schief, wirkte aber einladend. Zwei wirklich apart reizvolle Damen flankieren darauf den Schriftzug, welche ihre strammen Schenkel in aufreizender Bewegung aus den geschlitzten Kleidern in die Höhe werfen. „Wird zu Hurensohn Seniors Zeiten wohl eine Art Varietee oder erotisch strukturiertes Kabarett gewesen sein … Was der völlig missratene Sohn dann leider verkommen ließ. Nichtsdestotrotz – Jetzt wird gefeiert!“, dachte sich unser vergnügter Witcher beim Eintreten.

Doch das poetische Liebespaar … schien seine Trennungssehnsüchte, die Freude über die überstandenen Ängste um den geliebten Partner, die Errettung aus akuter Lebensgefahr, die fleischliche Gier nach dem heiß begehrten Fleisch des am meisten Geliebten … bereits vollständig ausgelebt, überwunden, verdrängt … gar schnell wieder vergessen zu haben. Verblüfft musste Geralt erleben, wie die sonst so smarte Priscilla ihrem Galan eine verbitterte Szene … : „Willst du das wirklich? Billige Huren und billigen Wein verscherbeln?“. „Nicht doch. Mein Freund steht auf kultivierte Frauen und delikate Getränke.“, hätte Geralt zur Entschärfung dieser gereizten Szenerie gerne gerufen, doch der scharfe Tonfall der temperamentvollen Bardin … Nein, lieber nicht. Rittersporn versuchte sich indessen selbst zu verteidigen: „Ich weiß, ich weiß. Drum erwäge ich ja ...“. Gerne hätte unser Hexer ja erfahren, was sein ältester Kumpel da erwägt. Doch die sehr erboste Künstlerin erstickte diese Ansätze im Keim, indem sie weiter wetterte: „Immer erwägst du! Entweder dieses oder jenes! Sag mir Bescheid, wenn du dich endlich entschieden hast!“. Bevor Rittersporn sich darauf rechtfertigen konnte, drehte sich Priscilla ab, um 'kochend' auf Geralt zuzustampfen. Unserem Witcher war natürlich bewusst, seinem meisterlichen Poetenfreund, dem fällt es schon oft schwer, sich für dieses oder jenes, oder auch, für diese oder jene, zu entscheiden. Der Zorn der Künstlerin war also sicher nicht völlig unberechtigt. So versuchte er: „Priscilla. Bitte ...“. Doch die stapfte schmollend weiter und knurrte dabei … schon etwas resigniert: „Mir fehlt die Kraft, Geralt. Vielleicht kannst du ihn ja zur Vernunft bringen?“. Zur Vernunft bringen – Rittersporn? Dazu mitten in einem Bordell – voller aufreizender, leicht bekleideter Damen … Andererseits, das war Geralt nun absolut klar, muss dieser alte Schürzenjäger seine Priscilla wirklich lieben. Rittersporn hatte keinen Blick für die vielen jungen Damen in Unterwäsche und ja, wirklich 'billig' wirkten die auch nicht.

Geralt hatte diesen 'Empfang' nicht erwartet, nicht nach den kürzlich überstandenen dramatischen Ereignissen, ganz knapp und auch mit etwas Glück dem Tod durch Hinrichtung entronnen immerhin. Was soll denn in ein paar Wochen, Monaten, Jahren … werden, aus diesem trauten Liebespaar? Künstler setzen da wohl andere Prioritäten, diese beiden zumindest. Wie dem auch sei. Der erhoffte Umtrunk in fröhlicher Runde war dann wohl … ins eiskalte Wasser entfallen. Eine kurze Unterredung mit dem Gescholtenen, seine Sicht der Sachlage ... vielleicht war ja doch eine Vermittlung möglich. Doch auch Rittersporn reagierte zunächst recht bockig und gekränkt: „Sie hat mir ins Gesicht gespuckt, jedenfalls fast. Nannte mich einen Hurentreiber und Dämlack! Hat man Töne? Scharfsinn ist meine Stärke!“. „Also, mir wächst Priscilla langsam ans Herz ...“, versuchte Geralt lächelnd zu beschwichtigen. „Spar dir das!“, fauchte der gekränkte Meisterpoet dazwischen. Gelassen konterte Geralt: „Spar du dir lieber diese kindische Schmollerei. Zeig ihr einfach, wie sehr sie sich irrt.“. Und das, genau das, so darf man zu Rittersporns Ehre einfügen, hatte er auch längst vor: „Genau. Ich habe immer von meinem eigenen Kabarett geträumt. Ein paar Tropfen Farbe, und dieser Laden sieht umwerfend aus. Einziger Haken: Dafür brauch ich Geld. Also … wenn du zwischen Ertrunkenen und Ekimmen mal eine Pause machst, würdest du einem alten Freund helfen?“. „Offenbar beziehen sich Freundschaften, ab einem gewissen Alter, irgendwann nur noch auf Helfen, meist sogar aus Notsituationen.“, dachte unser Witcher, dabei an Zoltans Karten, Rittersporns Haft, Triss Flüchtlingstransporte, Vernon Roches … Man könnte sich tatsächlich manchmal den Finger an Kopp halten und ganz laut: „Peng! Peng! Peng!“, rufen. So sehr, wie diese Zusammentreffen immer mehr in zwanghafte Rettungsaktionen abdriften, oder schlimmer, in einen tristen Hachel um die schnöde Kohle. Aber die Sache mit dem Kabarett, ist prinzipiell ein sehr gutes Vorhaben, unseren Witcher beschlich ja spontan die gleiche Idee, als er das einladende Schild über der Kaschemme sah. Und wenn solch ein Laden nicht optimal zu diesem poetisch-musikalisch passionierten Künstlerpaar passt?!

So schwärmten die beiden Freunde von einem gemeinsamen Besuch in einem sehr exquisiten Varietee in Oxenfurt, vor vielen Jahren. Als Rittersporn dann lauthals verkündete: „Mein Kabarett wird sogar noch viel besser ...“, glaubte ihm Geralt aufs Wort. Das war keiner der vielen Träume des Barden, das war seine Bestimmung, seine Mission … an diese Welt, wusste unser Hexer. So beeilte er sich anzubieten: „Wie viel brauchst du denn, mein Freund. Kann ich dir das Geld nicht einfach geben?“. Vielleicht könnte es ja so doch noch ein gemütlicher Abend werden. Doch dazu war Herr Rittersporn zu stolz, wehrte ab und verlangte stattdessen: „Danke, Geralt, aber von dir nehme ich keine Krone. Du weißt doch, wie man sagt: 'Am schnellsten verliert man einen Freund, wenn man ihm Geld leiht.' Aber ein Gefallen ist etwas anderes.“. Das war auch wieder so eine Sache, die fast nur auf die ganz jungen Jahre zutrifft. Wenn man noch fast alles für und mit seinen Freunden macht, von diesen kleineren Revolten, die man für das Allerwichtigste hält. Später, sind es dann eher die 'Gefallen', die oft bereits in wirklich sehr grenzwertige Bereiche abdriften. Und so viel ist klar, sie sehen doch alle das Geld nur als notwendiges Übel und Mittel zum Zweck, sonst wären sie kaum befreundet. Andere mögen Fristen setzen, vielleicht sogar von ihren 'Freunden' Zinsen verlangen, bei solch einer Art Darlehen von ihrem 'heiligen' Mammon … Geralt hatte eher eine Art Schenkung im Sinn, mit möglicher, aber nicht zwingend notwendiger Rückschenkung, so in 10 … 20 Jahren, wenn das Varietee brummt und man sich zufällig erinnert. Aber der gute Rittersporn, hatte bereits einen seiner 'todsicheren' Pläne: „Ich war mal mit diesem Mädchen zusammen - Sophronia … ein Name, ob du es glaubst oder nicht. Ihr Vater ist Gewürzhändler aus Serrikanien. Ein lieber Papa würde doch seiner lieben Tochter kaum etwas abschlagen. Wir könnten uns das Geld doch von ihr leihen.“.

„Wir – leihen! Von einer Fremden, statt von einem guten alten Freund. Und ich fungiere als Bürge ...“, hörte Geralt. Das war so ein Gefallen, recht grenzwertig möchte man meinen. Außerdem kam ihm dieser seltene Name bekannt vor: „War das nicht die Frau, die du ganz abgefuckt sitzenlassen hast? Bist du nicht raus, um eine Flasche Wein zu holen, dann einfach nie zurückgekehrt?“. Verdammte Scheiße, es war so. „Ich wusste, ich hatte einen Grund, den Wein zu kaufen ...“, versuchte Rittersporn. Müde lächelnd stellte Geralt fest: „Ist schon lange her, nicht wahr?“. Doch der Barde hielt krampfhaft an diesem 'todsicheren' Plan fest: „Bin schon eine Weile unterwegs, ja. Deshalb muss ich ja ... deine Autorität nutzen. Du hast welche, weißt du, was auch immer du selbst denkst.“. „Klar doch. Besonders wenn sie nicht von Monstern bedroht werden und sie 'Abartiger Mutant' und schlimmeres rufen, sobald ich nur auftauche.“, dachte unser Hexer zynisch, nicht aber wirklich verbittert, oder gar in seinem strotzenden Selbstbewusstsein beeinträchtigt. Denn die Leute, auf die es ihm ankommt, ob Anderling oder Mensch, wissen seine Qualitäten zu schätzen. Einer davon ist Rittersporn, sodass er für ihn auch in diesen sauren Apfel biss: „Nun spuck schon aus, was willst du? Dein Plan ist doch längst fertig.“. Darauf hatte der Barde gewartet und erklärte sich eifrig: „Zunächst brauchen wir ein stumpfes Schwert von Madame Irina – eine Requisite. Du weißt schon, die man bei Theateraufführungen benutzt. Besorge es dir und trifft mich damit vor dem Haus von Sophronia.“. Geralt ahnte nichts Gutes, eine Art gespielte Posse. So hinterfragte er vorsichtig: „Nehmen wir an, ich gehe zu Irina und hole so ein Ding. Was machst du indessen?“. „Ich muss noch etwas vollenden. Das schaffe ich, bis du mit dem Schwert zurück bist, versprochen. Den Rest erkläre ich dir später.“, drängte Rittersporn weiter. Es gab also nicht die erwünschte Info, so zögerte Geralt weiter: „Gut soweit, aber ...“. „Geralt, hier gibt es kein Aber, nur noch den Aberwitz künftiger Abende! Es wird klappen, du wirst sehen! Hol das Schwert von Madame Irina. Wir treffen uns bei Sonnenuntergang vor ihrem Haus.“, verlangte Rittersporn euphorisch und ließ ihn stehen, wie eine seiner ehemaligen Flammen, wenn er sich kurz zum Weinholen verabschiedet hatte. Geralt schwante, Rittersporn will auf seine Kosten den Helden spielen. Wenn die Sache auffliegt, wird man über den misslungenen Möchtegernhelden lachen, nicht über dessen Gehilfen. Der Barde ist alt genug und muss alleine wissen, was er da abzieht. Und diese Gewürzhändler, haben viel mehr Geld, wie einzelne Menschen haben sollten. Man sagt: Vom Erlös einer ihrer Schiffsladungen, könnten sich alle Bewohner der Scherben, zehn Jahre lang, in Saus und Braus ernähren …

So sollte es denn sein. Bevor Geralt das mittlerweile sehr spartanisch eingerichtete 'Edelbordell' verließ, trat er an Zoltans Eule heran. Irgendwie … erinnert die ihn immer an Philippa Eilhart. Auch wenn das vielleicht Quatsch ist, das Tier kann einem Leid tun. Sitzt den ganzen Tag auf einer Stange, angekettet, eine Falkenhaube über den Augen … Dazu der stetige Lärm und Trubel um den feinsinnigen Vogel. Geht Zoltan jemals mit der Jagen? Hatte der Vorbesitzer der Eule das Jagen etwa nicht beigebracht? Eine sehr traurige Vorstellung, über ein so prächtiges und stolzes Tier. Beim gemeinsamen Umtrunk, wenn er denn endlich tatsächlich stattfindet, wollte Geralt mit Zoltan darüber reden. Vor dem Rosmarin & Thymian, erwartete unseren Hexer ein weiterer tieftrauriger Anblick, die schöne Priscilla schluchzend und weinend. „Sie hat sich wirklich reingesteigert, in eine künftig 'verantwortungsvollere' Rolle von ihrem Herzblatt ...“, dachte unser Witcher gerührt und versuchte … ein paar tröstende Worte, die Sache ist bereits in Arbeit und so. Aber nein, die Bardin ließ sich einfach nicht beruhigen. Notgedrungen musste er sie schmollend und weinend auf dem Vorplatz stehen lassen. Bis zur Dämmerung war es schon noch eine geraume Weile hin … diese schönen Augen, sollten nicht weinen. Letztendlich ist auch sie erwachsen. Fröhliche Hammerschläge auf Stahl unter einem harten Amboss lenkten Geralts Interesse auf etwas weniger Unbehagliches, auf etwas erfreuliches. Hattoris Schmiede steht dicht beim Rosmarin & Thymian und dort, sollte er sich ja noch etwas abholen. „Ja. Sieh nur! Ein Schwert, was alle anderen überstrahlt!“, verkündete Hattori stolz und überreichte ihm ein Scherben-Schwert. Tatsächlich eine sehr gute Waffe, so bestätigte Geralt: „Na, die Wartezeit hat sich ja gelohnt. Danke.“. Hattori war zufrieden und erklärte nochmals: „Ich habe zu danken. Für alles.“. So war man letztendlich auch allgemein mit diesem langwierigen Abenteuer zufrieden: „Von Knödeln und Schwertern“. In der Praxis allerdings, wird Geralt die Stahlwaffe nicht nutzen, denn sein guter 'Friedensstifter', der ist einfach noch besser.

°268
Frau Irina war ebenso erfreut über ein Wiedersehen mit ihrem 'Aushilfskollegen' wie der selbst. War sie doch recht erfolgreich verlaufen, die gemeinsame Aufführung. Ja, man mochte sich auch so. Natürlich übergab sie Geralt eines dieser stumpfen Schwerter für Bühnenschlachten gerne. Doch als sie hörte, Meister Rittersporn steckt dahinter, befürchtete sie: „Ich hoffe doch sehr, er wird mir keine Konkurrenz machen. Aber bitte sehr.“. Dies war sicher nicht wirklich ernst gemeint, denn Irina lächelte dabei. Geralt versprach, den Theaterdegen nicht zu beschädigen und trollte sich. Sophronias Stadtvilla steht rechts von der Straße zur Sankt Gregor Brücke, ganz in der Nähe befindet sich ein Barbier. Geralt schlenderte über den Platz vor dem Edelpuff Passiflora, tätigte ein paar Einkäufe, Verkäufe … schließlich, so zwischen sieben und acht Uhr am Abend, brach die Dämmerung an. Rittersporn kam mit fliegender Pluderhose herangerauscht und verkündete, ohne irgendwelche erkennbare Verlegenheit: „Also, dies ist der Plan: Sophronia liebt Abenteuerromane. Ich könnte für sie zum Helden werden … indem ich sie vor einem Banditen rette. Sie wird mir aus der Hand fressen. Und in jedem Fall das Geld leihen.“. Genau diese Art von Dummfug hatte Geralt erwartet. Ist eigentlich schäbig genug, jemanden, den man bereits früher herbe enttäuschte, gegen seinen Willen, oder besseren Wissens, erneut zu rollen … Dazu mit solch einer plumpen Masche. Mit einem sehr müden Lächeln seufzte unser Hexer: „Hm. Und … ich soll dieser Bandit sein.“. Unbeirrt strahlte der 'geniale' Barde: „Ich wusste, es wird dir sofort einleuchten.“. Um Ritterspron wenigstens etwas wieder runterzuholen, von diesem … 'kreativen Höhenflug', knurrte Geralt bitter: „Ist tatsächlich dein Ernst, was? Das ist dein kompletter genialer Plan?“.

„Jeder Plan ist besser ist als kein Plan. Ich habe deinen Text schon geschrieben. Damit du bei deinem Auftritt weißt, was du sagen sollst. Und hier, deine Maske. Setze sie auf, Sophronia darf dich nicht erkennen.“, erklärte Rittersporn, weiterhin unbeirrt und felsenfest von dieser Posse überzeugt. Besagte Maske, war ein einfaches rotes Halstuch, was sich Geralt über den Mund zog. Seine wirklich auffälligen Merkmale: die Katzenaugen, das schlohweiße Haar, die Narbe quer über das linke Auge … bis hin zu den beiden Schwertern, eines davon aus schieren Silber, und seiner einzigartige Rüstung, verdeckte dieses Schnupftüchlein natürlich nicht. Es wirkte eher grotesk lächerlich. Doch schon zischte Ritterspron aufgeregt: „Keine Zeit! Sophronia kommt! Halt dich an den Plan. Wir treffen uns morgen im Rosmarin!“. „Der blödeste Plan, von dem ich je hörte. Und dieser, findet leider sogar statt. Zum Glück bin ich dabei … Sonst stände mit Sicherheit schon morgen die nächste Befreiungsaktion aus dem Knast auf dem Programm.“, dachte sich Geralt, beschloss aber aus dieser Posse das Beste herauszuholen. Die Dame Sophronia wirkte etwas schlafmützig, eher wie ein schüchternes Gänseblümchen vom Lande, als denn eine schillernde Gladiole der Großstadt von reichen Eltern. Fast tat sie Geralt zu leid, um sie rüde anzublaffen: „Sofort stehenbleiben!“. Sophronia schlug auch sofort erschrocken ihre Hände vors Gesicht, um zu stammeln: „Was … was soll das? Hilfe! Zu Hilfe! Helft mir doch!“. Geralt sah sich um, kein Schwanz in Hörweite, davon gab es reichlich, interessierte das auch nur die Bohne. Und hier befand man sich im Villen-Viertel, mit tatsächlich patrouillierenden Tempelwachen.

Mit vor seiner Brust verschränkten Armen, konnte Geralt den Spickzettel im Aufschlag seines Handschuhs gut ablesen. Jedoch guckte er wohl eher traurig, statt wie vom Autor sicher erhofft finster, als er sehr theatralisch … vortrug: „Erzittere … flachshaariges Frauenzimmer?! Ähm … verneige dich, vor dem Prinzen der Diebe!“. Nun fragt ihr euch sicher, warum das, neulich auf der Theaterbühne, spielte er doch seine Rolle recht gut? Es gibt ja auch Herzöge, Grafen als Diebe, einen Bettlerkönig … Daran lag es auch nicht, warum Geralt sofort stockte, auch nicht an der affektierten Wortwahl … Nein, die gute Sophronia hatte pechschwarzes Haar unter ihrer sittsamen Haube. Nicht einmal dieses auffällige Merkmal, war dem notorischen Schürzenjäger im Gedächtnis geblieben. Geralt überlegte gerade, ob er nicht doch ab hier improvisieren sollte, um wenigstens etwas natürlicher … Da brüllte Rittersporn dazwischen: „Nicht so schnell! Weg mit dem Schwert Halunke! Das ist die erste und die letzte Warnung! Fürwahr. Wobei mich der Abschaum dieser Stadt den Roten Rächer nennt!“. Geralt sah zu Sophronia, die hatte ihre Augen ängstlich zu, ihr Gesicht wie beschämt nach unten geneigt. Geralt kennt ja solche Zeugen zur Genüge … Immer wieder tauchen die bei Befragungen zu Monsterjagden auf und können doch nicht wirklich hilfreich sein. Rittersporn hatte sich eine bordeauxrote Larve vor sein Gesicht gebunden, im Farbton auf die kleinste Nuance genau passend zu seinem aufwendigen Wams und der edlen Kappe. Ein echter Geck von Schrot und Korn! Geralt verbiss sich das Lachen und las weiter ab: „Oh nein! Nicht der Rote Rächer!“.

Der Barde warf sich in eine heldenhafte Pose und tönte 'kühn': „Ruhe, Gewürm! Der Tag soll dich reuen, da du geboren wurdest!“. „Nun ja, jetzt geht’s also los, mit dem eigentlichen Schmierentheater.“, dachte sich unser Hexer und zückte das Holzschwert. Sofort fing Rittersporn an, recht wilde Schläge in seine Richtung so. Geralt konterte nicht, blockte aber zunächst die wüsten Hiebe. Beim Theaterfechten … hatte der Barde während seines Studiums wohl oft gefehlt, oder der Ausbilder war krank, schlecht, wie auch immer. Nach einigen ' schweren' Hieben auf das Holzschwert von Geralt, atmete der Meisterpoet bereits schwer. „Los, Rittersporn! Ich meine … Roter Rächer! Gib's mir endlich!“, brummte Geralt, um seinen Kumpel für eine bessere Show anzuspornen. Geralt tänzelte vor und zurück, nach links und auch nach rechts … Aber der meisterliche Barde, legte wohl nicht viel wert, auf diesen bewegungsintensiven Teil ihrer Darbietung. Schade eigentlich – denn in solchen Passagen geht das Publikum oft besonders begeistert mit, wenn sie gekonnt dargeboten werden. Ein Blick zu Sophronia – die hatte beiden Hände vor den Augen. Was zufällige Passanten betrifft: Waren bei Rittersporns erstem Ansturm noch zwei Frauen ängstlich kreischend davongerannt … Nun, jetzt gingen einige Frauen dicht vorbei. Manche lächelten ihnen zu, ohne aber länger diese müde Show zu verfolgen. Andere fanden von vorneherein die Blumenrabatten um die Häuser interessanter. Es war also klar, der edle 'Held' wird immer müder, die Darbietung mit ihm auch. So spornte Geralt seinen Freund ein letztes Mal an. Als dieser darauf sein Holzschwert mit müden Kräften über seinen Kopf 'wuchtete', um fast unkontrolliert in die Richtung vom Hexer auszufallen … Ließ dieser seinen Stecken einfach zur Seite sinken, sich voll auf eine Schulter treffen. Das entfachte in Rittersporn frische Kräfte und er schlug einen weiteren beherzten Terz. Geralt ging darauf mit einem Knie auf den Boden, streckte die Waffe und neigte sein Haupt.

Endlich war Rittersporn wieder in seinem Element. Der Barde warf sich gekonnt in Heldenpose, um laut zu verkünden: „Der Rote Rächer triumphiert erneut!“. Nun wagte sich gar Sophronia, die wohl zwischen ihren Fingern geblinzelt hatte, die Hände sinken zu lassen und ein paar Schritte auf ihren 'Retter' … Mit dem überschwänglichen Ausruf: „Mein Retter! Ist alles in Ordnung?!“. „Ein Streich fand sein Ziel. Eine Narbe für die Sammlung.“, tönte Rittersporn herablassend. Doch genau darauf, stand die schüchterne Dame aus Serrikanien wohl. Mit einem verzückten Grinsen und ebensolchen Glanz in ihren Augen himmelte die Tochter aus reichem Hause ihren 'ritterlichen' Retter an, um mit schmachtenden Unterton zu bieten: „Komm doch rein, ich verbinde dich.“. Geralt befahl die Dame mit den Pusteln im Gesicht dagegen streng: „Fort mit dir, mieser Bandit! Sonst wird’s dir der Rote Rächer zeigen!“. Eine Nachbarin, welche gerade vorbeischlenderte, barg ihr Gesicht hinter einem Fächer. Einen solchen hätte Geralt auch gerne gehabt. Schnell umdrehen, gleich weggehen, mit ausreichenden Sicherheitsabstand lachen. Waren die Nachbarn ähnliche Aufführungen bereits gewohnt, vor jedem Rendezvous … Aus dieser Sicht, passt ein endgültiger Abgang zum Weinholen vielleicht sogar. In einer Nebengasse Richtung Scherben lauerten Hurensöhne. Die bekamen echte Dresche.

°269
Einen letzten Urlaubstag wollte sich unser Hexer noch gönnen, wegen der nun bereits lange geplanten Feierlichkeit mit alten Freunden. Solche total 'verplanten' Events sind ja sonst auch nicht sein Ding. Irgendwie laufen die nie so wirklich cool und natürlich … Spontan und heftig dagegen, glaubt mir lieber Freunde, das kracht und funzt immer zur allgemeinen Zufriedenheit. Also, zur besten Frühschoppenzeit am nächsten Vormittag, betrat Geralt das Rosmarin für einen weiteren 'verplanten' Anlauf. Der Rote Rächer, ähm … Rittersporn, war noch nicht an der künftigen Wirkungsstätte seiner real ausgelebten Träume eingetroffen. Doch Priscilla war da, nicht mehr so wütend und traurig, dafür aber anders aufgebracht. Eine Gruppe von Zwergen war eingetroffen, augenscheinlich versierte Handwerker, nach Priscillas Meinung um einige Tage zu früh. Die sonst stetig fleißigen Arbeitsmänner kümmerte dies kaum. Wie man solche Gesellen kennt, hatten sie es sich sofort gemütlich gemacht, mit deftigen Speisen und Getränken, ihre garantiert bezahlte Zeit lief ja, in diesem Fall sehr vorteilhaft für sie. Dem rüstigen Jungunternehmer dagegen, dem lief gleichzeitig der angestrebte Sockel zum künftigen Reichtum davon. Sagen wir, es war ein sehr volkstümlicher Meister, der sogar seine eigenen Hände in den täglichen Arbeitskampf einbringt. Natürlich muss gerade auch für solch zünftige Gesellen etwas angemessen lohnenswertes dabei herumkommen, damit sie ihre solide Arbeit auch lustvoll und schnell abwickeln. So verlangte der Vortuner: „Heute war ausgemacht, und heute sind wir da. Das Material ist komplett, meine Truppe kann es kaum erwarten. Wir fangen an, sowie sich unsere hübsche Regisseurin in Sachen Dekoration entschieden hat.“. „Aber Rittersporn hat doch gar kein Geld für euch!“, wehrte besagte hübsche Bardin erneut ab.

Was ihn auch immer ihn in diesem Moment geritten hat, Geralt tönte vollmundig dazwischen: „Doch, hat er, wie sich bald zeigen wird. Er arbeitet gerade dran ...“. Da frohlockte der fleißige Kleinunternehmer: „Siehst du? Alles in Butter! Würdest du also endlich entscheiden, welchen Stil das künftige Interieur haben soll?“. „Welche Wahl hätten wir denn?“, fragte Geralt interessiert. Dieses griff der Fachmann sofort auf, um zu verkünden: „Meister Rittersporn sagte, er könne sich nicht zwischen Boudoirstil und Theaterdekoration entscheiden. Diese Entscheidung würde er uns vor Ort mitteilen. Und hier sind wir nun, die Entscheidung steht aus. Die Dame zeigt sich überrumpelt, wo sie doch entscheiden sollte, weil die komplette Renovierung doch fast ausschließlich ihr zuliebe stattfinden soll.“. „Mir zuliebe?“, fragte Priscilla erstaunt. Was wiederum unseren Hexer erstaunte, weil … um was ging das vorangegangene Theater denn sonst. Sogar der freundliche Handwerker brummte nun etwas ungehalten: „Na, mir zuliebe jedenfalls nicht. Also würdest du dich bitte entscheiden, bevor mir noch eine Ader platzt?!“. Die smarte Künstlerin, sonst doch recht taff und stets selbstbewusst, zweifelte, schon erfreut, aber dennoch unsicher: „Ich weiß nicht, was Rittersporn gefallen würde. Geralt, du kennst ihn länger. Sag du was.“. „Bis die heiraten … dauert es wohl doch noch eine geraume Weile.“, dachte sich unser Witcher.

Andererseits hatte er absolut keinen Bock mehr auf diesen Kinderkram. So überlegte er, um für die Teenager im 'Beziehungskrieg' zu entscheiden. Theaterstil – das gab es die bereits etablierte gastronomische Einrichtung mit Bühne – der Eisvogel. Madame Irina betreibt dazu ein sehr gutes 'klassisches' Theater. Im Eisvogel tritt Priscilla regelmäßig auf, Irinas Theater können beide schreibende Künstler mit ihren Stücken beliefern. Als Boudoir bezeichnen die Kaiserlichen die eleganten Salons feiner Damen, auch die von selbstständigen Frauen, die dort zu gewissen Vergnügungen laden. Sicher gibt es in der Passiflora ähnliche Räumlichkeiten. Varietee oder Kabarett findet in diesem Edelpuff darinnen allerdings nicht statt. Solch ein Boudoir, mit seinen erlesenen Polstermöbeln und den dem Zeitgeist entsprechenden künstlerischen Dekorationen, bezieht sich meist also auf einen etwas gehobene, aber dennoch opportunistische Klientel, Künstler aller Art, Philosophen, nicht wirklich aggressive Anarchisten und Systemkritiker, Träumer … Man diskutiert und revolutioniert also unter sich, am breiten Volk geht’s meist weit vorbei. Das Vergnügen steht dabei im Vordergrund, was Rittersporn in seinem Laden sicher ebenfalls anstrebt. Strebt man grundlegend veränderte Denkansätze in der Bevölkerung an, muss man eh direkt auf die Straße gehen, ohne zwingend finanzielle Ansprüche, so wie es die Lunden und andere tun. Zu seinen beiden Freunde vom Poetenpack … passt eher der Austausch in der Gemeinschaft 'künstlerischer' Freidenker. Sollen sie doch ihre Auftritte zwischen schweren Polstermöbeln, direkt zwischen ihren Gästen, vielleicht diese sogar mit einbezogen … echt fresher 'New Stil' also. So stellt Geralt nach wenigen Sekunden Bedenkzeit klar: „Der Boudoirstil passt besser zu dieser Art Kabarett. Übertreibt es aber mit den Polstersesseln nicht.“.

„Eine wunderbare Wahl! Endlich!“, freute sich der strebsame Raumausstatter, um umgehend seine Leute anzufeuern: „Meine Herren, Schluss mit dem Nasenbohren! Ran an den Speck!“. „Tja, diese Kabarett muss ja echt toll werden.“, brummte Geralt in Richtung Priscilla. Irgendwie … hatte er immer noch seine Zweifel, über eine längere Haltwertzeit von Rittersporns Lebenstraum. Von einem solchen Traum hatte man nämlich früher nie etwas gehört, oder auch nur geahnt … In dieser Hinsicht war sich allerdings die hübsche Bardin recht sicher. Mit einem zuversichtlichen Leuchten über den angenehmen Zügen und aus ihren schönen Augen verkündete Priscilla: „Seit Rittersporn den Laden hier erbte, redet er von nichts anderem. Hätte nur nicht geglaubt, er schreitet zur Tat, so schnell.“. „Wer weiß, vielleicht wird er ja sogar häuslich. Muss ja sein Geschäft im Auge behalten ...“, brummte Geralt, denn er wollte die sensible Poetin auf keinen Fall erneut aufbringen. Mit den angestrebten Umsetzungen von Träumen ist es ja so, die meisten haben viele davon, künstlerisch kreative Menschen davon reichlich mehr. All diese lockenden 'Sirenen' an den Horizonten der Traumwelten verlieren deutlich an Zugkraft … werden sie eines Tages tatsächlich real erreicht, gegenüber den noch nicht erreichten. „Der Weg ist das Ziel.“, wie eine uralte Volksweisheit so treffen sagt. Dieser Weg ist demnach das pure Leben, das größte Vergnügen. Wer ein Wanderer ist, ob Traumwanderer oder real unterwegs, wird immer ein Wanderer bleiben. Nur wahre Liebe, könnte dies ändern.

Unbeirrt beharrte Priscilla deswegen: „Was immer die Leute reden, Rittersporn packt sein Leben sehr real an.“. Das war natürlich eine Metapher, die jeder für sich und anders auslegen kann. Sich selbst stets treu zu bleiben, ist wohl die realistischste aller möglichen Bestrebungen. Haben Rittersporn und Priscilla wirklich übereinstimmende Prioritäten? Wie sieht es mit bürgerlicher Sicherheit aus? So gab Geralt zu Bedenken: „Wir reden vom selben Mann? Von Rittersporn, der in einer Nacht ein Vermögen verliert, für das man halb Novigrad bekäme?“. Priscilla verteidigte ihre 'positiven' Ansichten über ihr Herzblatt entschieden: „Aber er kann auch sehr verantwortungsvoll sein. Er bezahlt jeden pünktlich, der für ihn arbeitet … er hat noch nie einen Auftritt versäumt.“ „Hoffentlich ist nicht gerade eure Eröffnung das erste Mal. Er ist immer noch nicht hier.“, brummte Geralt, verbiss ich ein zynisches Grinsen dabei. „Er sagte, er geht gleich zu Polly, unserer Choreografin, sowie er das Geld hat. Sie hat die letzten Proben versäumt. Es wird doch nichts passiert sein?“, wunderte sich Priscilla besorgt. Da war natürlich was dran, unser meisterlicher Barde tappst ja oft von einem Fettnäpfchen in das nächste. Könnte also bereits wieder in neuen Schwierigkeiten … „Bei Rittersporn ist alles möglich. Ich sollte nach ihm schauen ...“, bot Geralt an und ließ sich den Weg zu Polly erklären. Somit war Geralt vorerst raus, aus diesem Wettbewerb für das künftig 'beste' Leben von Meister Rittersporn. Recht erleichtert war er, da könnt ihr einen drauf lassen. Was Zoltan Chivay betrifft, diesen alten Zausel und ebenfalls guten Freund, der hielt sich als strikt pragmatisch orientierter Philosoph völlig raus, aus diesen teils psychoanalytischen Betrachtungen und Vermutungen in Bezug auf seinen besten Kumpel. Was diese Renovierung allgemein betrifft … Ob mit oder ohne neuer Farbe an der Wand, Zoltan schmeckt jeder Humpen Met vortrefflich, wenn nicht, schleudert er diesen an die Wand, auch wenn sie gerade frisch gestrichen wurde.

°270
Mit beiden Fäusten trommelte der Rote Rächer gegen die Eingangstür von 'seiner' Choreografin, dabei verzweifelt: „Aufmachen! Sofort aufmachen!“, rufend. „Was geht denn hier ab? Wieso dieser Krawall?“, wollte unser Witcher natürlich wissen. „Polly und ihr schwachsinniger Verlobter streiten sich. Sie ist in der Stadt die Einzige, die sich mit Choreografie auskennt … und dieser Armleuchter lässt sie nicht für mich arbeiten. Moment mal – was machst du eigentlich hier? Wir wollten uns doch im Rosmarin treffen.“, erklärte Rittersporn aufgelöst, auch etwas erstaunt. „Wollten wir, aber du bist nicht aufgekreuzt. Da hat Priscilla angefangen sich Sorgen zu machen ...“, erklärte sich Geralt. „Priscilla hat sich Sorgen um mich gemacht? Wie schön ...“, schwärmte der poetisch begabte Gockel, fast wie ein schmachtend verliebter Teenager. „Für sie wohl nicht so sehr … Also, gehen wir.“, brummte unser Hexer grinsend. „Hast du nicht gehört? Wir müssen Polly helfen! Warum landen schöne Frauen bloß immer bei solchen Arschgeigen?“, beharrte der Barde. „Keine Ahnung. Soll ich die Tür eintreten?“, fragte Geralt zynisch, denn dieser Missstand ist ihm bereits auch mehrfach aufgefallen. „Warte! Müssen wir wirklich gleich ihr Haus demolieren? Sie hat hier irgendwo einen Zweitschlüssel.“, fiel dem alten Herzensbrecher da urplötzlich 'spontan' ein. „Hoffentlich ist die sensible Priscilla tatsächlich bereit … für eine ewig offene Beziehung.“, dachte sich unser Hexer und brummte vielsagend: „Woher weißt du denn das?“. „Wir arbeiten ja nicht erst seit gestern zusammen. Bevor sich Polly mit diesem Hubio einließ, haben wir hier öfter ...“, wollte Rittersporn erklären, „ … gemeinsam recht schöne Stunden verbracht.“, ergänzte Geralt. Doch Rittersporn, als echter Realist durch und durch, stellte empört klar: „Ich trenne Vergnügen und Geschäfte stets glasklar. Wenn Priscilla und Polly im Rosmarin ihre Tanznummern einstudierten, zog ich mich hierher zurück. Hier konnte ich in Ruhe schreiben und komponieren.“.

Dieses Statement war eigentlich einen Abschlusssatz wert. Doch Geralt konnte sich einfach nicht verkneifen: „Und Priscilla ist die einzige Ausnahme, was?“. Der wortgewandte Barde ließ sich davon nicht die Bohne verunsichern, um mit: „Die sich ja gerade sehr um uns sorgt, wie du sagtest. Also genug geschwätzt, lass uns den Schlüssel suchen.“, zum eigentlich realen Thema zurückzukommen. Unser Hexer strengte kurz seine sensiblen Hexersinne an und zack … eine kleine runde Schachtel auf der Bank bekam eine rote Aura, dazu ein großer Holzeimer. Die Schatulle enthielt nichts interessantes, auf dem Grund vom Holzbottich, zwischen den Packen und einer Kiste, lag der Schlüssel. Das hätte sich selbst der zerstreute Poet leicht merken können. Der suchte aber an den falschen Stellen. Irgendwie, hatte er dies wohl in den letzten Wochen besser gemacht. Wie dem auch sei. Entschlossen schritt Geralt zur Haustür und öffnete diese, so wie vom Schreiner und Schlosser vorgesehen. Ist es nicht wunderschön, wenn man seine Sachen auch mal friedlich und harmonisch regeln kann? Offensichtlich nicht die Ansicht von diesem Hubio, der die Eintretenden aufgebracht anbrüllte: „Was zum Teufel soll das?! Raus aus meinem Haus!“. Geralt wusste aber, Haus und Wohnung gehören in Wirklichkeit Polly. Und Rittersporn hatte recht, der Kerl sah wie ein tumber Grobian aus. So knurrte unser Hexer böse: „Pass bloß auf. Und lass die Frau in Ruhe.“. „Ja zum … Das ist meine Verlobte.“, rechtfertigte sich der grobe Lümmel. „Aber nicht dein Eigentum!“, stellte die taffe Choreografin resolut klar. Geralt sah sofort, ein Vollblutweib, wunderschön, mit viel Temperament … Die sollte frei und unabhängig sein. Doch der plumpe 'Verlobte' heulte weiter: „Ich liebe sie. Ich lasse es nicht zu, dass sie im Bordell ihren Hintern schwingt.“.

An dieser Stelle versuchte Rittersporn ein realistisches Veto einzulegen: „Jetzt mal langsam. Hier liegt eindeutig ein Missverständnis vor, was ich im Handumdrehen aufklären kann.“. „Schieb dir deine Ausreden in Arsch! Verpiss dich, bevor ich dir den Schädel spalte!“, keifte Hubio aggressiv. Bevor es eskalieren konnte, trat unser athletischer Hexer dazwischen, um klarzustellen: „Mein Freund war sehr höflich zu dir. Also lass ihn ausreden, sonst spalte ich vielleicht deinen Schädel.“. „Na ... na gut. Red schon.“, stotterte Hubio erschrocken. Da warf sich unser stolzer Barde in Positur, um in einem ausgeklügelt gewaltigen Rhetorikrundschlag … „Hubio, nicht? Polly hat mir viel von dir erzählt. Sie hat dich als gebildeten, sehr weltoffenen Menschen beschrieben.“, da wurde er aber bereits unterbrochen. „Das hast du?“, schmachtete Hubio seine Herzdame kurz an. Doch gleich besann er sich, um erneut zu wettern: „Na, es stimmt ja auch. Ich bin sehr weltoffen. Aber nur bis zu dem Punkt, wo meine Verlobte im Puff mit ihrem Arsch wackeln will! Raus mit euch beiden! Polly geht nirgendwo hin!“. Geralt trat noch einen Schritt näher, erinnerte scharf: „Lass ihn ausreden. Dies hier hat nichts mit einem Bordell zu tun.“. Selbst wenn es so wäre, müsste man den freien Willen von Polly respektieren.

Dies stand ja nicht zu Debatte, also setzte unser realistischer Barde seine rhetorisch ausgefeilte Ansage fort: „Siehst du, mein Freund, Geralt hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Was du da hast, ist ein veraltetes Werbeplakat. Zu dieser Zeit war mein Etablissement noch unter anderer Leitung. Ich hingegen würde in meinem Kabarett niemals Anstößigkeiten dulden. Schon meine Reputation verbietet das. Deine Verlobte ist eine hervorragende Künstlerin. Ich möchte ihr eine Position bieten, die ihrem Talent entspricht. Sie wird bei uns die Chefchoreografin sein. Was bedeutet, sie bekommt einen schönen Anteil vom Erlös jeder Vorstellung, welche sie choreografiert hat.“. „Du meinst … Geld?“, horchte der zerlumpte Grobian auf. „Und Ansehen. Schäkern gehört nicht zu dieser Arbeit. Mein Wort darauf.“, stellte Rittersporn abschließend klar. „Hmmh … in diesem Fall … schätze ich ...“, druckste Hubio. Die taffe Polly ergriff sofort die Initiative: „Ich wusste, du würdest einverstanden sein.“. „Das wäre also geklärt – wir sehen uns im Rosmarin, Polly. Bis gleich.“, grüßte Rittersporn und zwinkerte Geralt zu.

Kaum in der Gasse zurück, gab der Barde erleichtert zu: „Puh. Hätte nie gedacht, es würde so leicht und schnell ablaufen.“. „Warum? Du hast es doch sehr geschickt gemacht. Nach dem du ihn gebildet nanntest, war er wie Wachs in deinen Händen.“, lobte Geralt seinen alten Freund. Strahlend verkündete der verbale Rächer: „Ob Verhandlung oder Gefecht – man muss die Schwachstellen seines Gegners kennen und bis zum Schwertheft ausnutzen.“. Daran erinnert, tat Geralt die schöne Choreografin wieder leid. Hubio hat vielleicht ein paar Qualitäten, aber mit seinen Defiziten … Auf längere Sicht ist das nie wirklich schön. Dies muss die temperamentvolle Künstlerin natürlich täglich selbst entscheiden. So brummte Geralt: „Also, gehen wir endlich zurück. Priscilla wartet.“. Rittersporn hatte als frischgebackener Unternehmer in der Unterhaltungsbranche aber noch mehr auf seinem Zettel. Geralt hatte da ja inzwischen Einblicke, in Punkto Promotion, vom Theaterstück bei Madame Irina. „Ich muss noch bei Rautlec vorbei. Bei dem hab ich neue Plakate bestellt. Soll doch keiner mehr wie Hubio auf die alte Version … Verfluchter Künstler, der wird mir einiges erklären müssen!“, wetterte Rittersporn. Dieser Rautlec ist ein recht berühmter Porträtmaler, welcher aus alter Freundschaft zu Rittersporn, die Plakate für die Neueröffnung gestalten wollte. Geralt fand, die schöne Poetin im Rosmarin sollte nicht länger auf ihren Meisterpoeten warten müssen. Außerdem war es Rittersporns Laden, in welchem ein paar sehr tatkräftige Handwerker gerade eine totale Renovierung angehen. Wenn der Herr Kabarettleiter also noch ein paar eigene Vorstellung einbringen möchte … Dann wird es höchste Zeit. So bot unser Hexer natürlich an: „Ich gehe zu Rautlec. Und du rasch zu Priscilla zurück.“. Ein freundschaftliches Angebot, was der real verliebte Barde sofort annahm.

°271
Besagter Rautlec haust und werkelt im Hafenviertel. Geralt ging also auf der nächsten Brücke über den Kanal und war auch schon da. Doch in der spartanisch eingerichteten Hütte wurde gerade nicht gemalt und porträtiert. Der Künstler war nämlich nicht anwesend. Dafür aber zwei derbe Halunken, die völlig respektlos zwischen den Kunstwerken und gediegenen Materialien wühlten. Farben hatten sie bereits ausgeschüttet und auf dem Boden zermatscht, einiges an Geschirr und Mobiliar ging auch zu Bruch. Man könnte denken, zwei besonders bösartig engstirnige Bullen veranstalten eine Razzia bei politischen Dissidenten. Geralt räusperte sich laut und erklärte: „Ich suche Herrn Rautlec.“. Da meinte eine von diesen Kanaillen: „Da bist du nicht allein. Der verdammte Halbling hat Schulden bei der halben Stadt. Ich hole mir meine, bevor der Kadaver komplett abgenagt ist.“. Der andere Arschwichser echauffierte sich bekräftigend: „Es reicht nicht für alle, also schwirr ab. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.“. Geralt hatte vor wenigen Augenblicken bewiesen, wie gerne er alles in dieser böse kaputten Welt friedlich händeln würde. Solange diese Art von Arschwichsern ihr rohes Unwesen treibt … muss man solch utopischen Träumen nicht wirklich nachhängen. Das wäre ja fast, wie Vernon Roche es nennen würde, bereits Beihilfe. Wie soll denn der Künstler jemals seine 'Schulden' begleichen, wenn die sein Atelier und Material zertrampeln. Künstler, auch Maler, haben nun mal selten eine abstrakt mathematische Beziehung zu Geld. Leiht man ihnen dennoch was, ist man also blöde, oder ein mieser Kredithai. Beides traf offensichtlich auf diese Arschwichser zu. So fühlte sich unser Hexer, als Freund der schöngeistigen Künste, verpflichtet: „Ihr werdet ihn nicht ausrauben.“. „Komisch, kann mich nicht entsinnen, dich um Erlaubnis gefragt zu haben. Auf ihn, Fred!“, fand die etwas hellere Arschgeige hämisch und ballte seine Fäuste.

„Hart & direkt“, ein Tanzstil, den unser Hexer bestens beherrscht und liebt. In dem engen Atelier, mit zwei brutalen Geldeintreibern um sich, kann er diesen nicht mit den erforderlich ausgreifenden Tanzschritten umsetzen. So zog sich Geralt taktisch auf die Treppe zurück, wo ihm diese Kanaillen, wie echte Männer, einzeln gegenüber treten mussten. Die grölten und provozierten zunächst enttäuscht, wohl wütend auf die eigene Feigheit. Doch dann wagte sich der massigere Schläger auf die Treppe. Geralt empfing ihn mit einem eingesprungen Tritt gegen den kantigen Brustkasten. Der flog also im hohen Bogen wieder zurück. Unser Witcher tänzelte die Treppe hoch und runter, bis sich der nächste Arschwichser zu einem Angriff aufmuntern konnte. „Bamm – Bamm!“, ein paar ordentliche Backpfeifen, und dessen Kopf knallte gegen die Wand vom unteren Treppenpodest. Dies wiederholte sich und der Arschwichser legte sich schlafen. Nun war genügend Platz, um mit dem bulligeren eine Engtanzrunde im Atelier aufs Parkett zu legen. Viel hatte der in dieser Beziehung allerdings nicht zu bieten. Ein paar trockene Haken auf die Rippen, ein abschließender Uppercut, das wars. „Sag mir, was du willst, verdammt!“, stöhnte der etwas redegewandtere Arschwichser. „Eigentlich nichts. Wollte hier nur ein paar Plakate abholen.“, brummte Geralt grinsend. „Hier sind aber keine verdammten Plakate!“, knurrte der Arschwichser wie ein geprügelter Hund. „Und Rautlec? Wo ist der?“, fragte Geralt unbeeindruckt. „Wie immer – auf dem Anwesen der Vegelbuds, die letzten Kronen verwetten.“, gab der Geldeintreiber zu. Geralts Vermutungen bestätigten sich also. Sie hatten einem Spielsüchtigen Geld geliehen, um ihn hinterher auszubluten. „Bitte! War doch ganz einfach. Warum nicht gleich so? Und nun, schwirrt ab.“, empfahl unser Witcher, was die geprügelten Geldeintreiber sofort umsetzten.

Die dringend benötigten Plakate, ließen sich in der Wohnung von Rautlec tatsächlich nicht finden. So musste er erneut, zum pompösen Anwesen der Vegelbuds, diesmal leider ohne liebreizende Begleiterin. Auf seinem Weg zum nächsten Stadttor wurde Geralt schon wieder von zwei fadenscheinigen Arschwichsern angehalten: „Wir haben ein Problem, Meister Hexer. Ein Freund von uns wurde verletzt, und wir finden ihn nicht … Der Ärmste könnte verbluten. Du hast doch schon so viele Monster verfolgt … könntest du nicht auch unseren Freund finden. Wir zahlen auch.“. Geralt musterte die Burschen, die gleiche miese Mischpoke wie gerade im Atelier, einer davon sogar öffentlich vermummt. Hatte der Herzog doch überlebt? Sollte dies eine rachsüchtige Falle werden? So was schoss unserem cleveren Hexer schon durch den Kopf. Ist dies so, warum die Sache nicht endgültig beenden. Manche begreifen halt nur durch ganz brutale Maßnahmen, das man die angestrebt autonome Ruhe eines sonst friedfertigen Mannes unbedingt respektieren sollte. So erklärte Geralt listig lächelnd: „Warum nicht? Ein kleiner Umweg wird mir nicht schaden.“. „Geh schnell voran Meister Hexer … Der arme Kerl braucht dringend Hilfe.“, freuten sich die schurkisch aussehenden Burschen. „Zunächst brauche ich eine Spur. Irgendwelche Ideen diesbezüglich?“, stellte Geralt trocken klar. „Äh, ja … Er ist gerannt. Kam aus der Kanalisation. Wollte Richtung Hafen.“, gab der ohne Vermummung zu. Der Verdacht mit dem Herzog, oder ähnlichem Gesindel, verdichtete sich. Die Sache wurde also interessanter und Geralt brummte: „Kanalisation also. Diesen Gestank kann ich leicht verfolgen.“.

Mit seinen Hexersinnen fand Geralt schnell deutliche Stiefelabdrücke mit Klärschlamm, dazu die stechende 'Duftwolke'. An einer Wand, direkt neben einem Tempelwächter, blutige Handabdrücke. Es ist allgemein bekannt, diese korrupten Kerle halten sich aus den Machenschaften echter Verbrecher heraus, um fast ausschließlich nur die armen Opfer der fanatischen Hexenjäger mit zu verfolgen. Somit sind sie eher eine Schande und zusätzliche Plage, für die einst freie Stadt. Geralt wundert sich darüber längst nicht mehr und verfolgte die deutlichen Spuren verbissen weiter. Es ging durch eine enge Gasse, eine abgelegene Treppe hinauf, bis zu einer Grünfläche mit Büschen und Bäumen neben einem massiven Tor in hohe Mauern. In den äußersten Winkel dieser kleinen Naturoase hatte sich der Verletzte verkrochen. Es war – ein Hexenjäger. „Es war fast ein Zentner reinsten Fisstech, was du verbrannt hast. Weißt du, was das wert war?“, klagte einer von Geralts Auftraggebern den blutenden Fanatiker an. Natürlich hatte unser Hexer keinen Schimmer über die Beweggründe von diesem Fanatiker. Wusste der nicht, einige Popen vom Ewigen Feuer rühren kräftig im Drogenhandel mit, auch Mitglieder der 'ehrbaren' Stadtwache und einige seiner Vorgesetzten. Das war allerdings auch egal. Fakt ist, nur wenige ganz miese Drogenhändler machen gezielt Schulkinder abhängig. Die meisten Nutzer der Schnupfdroge sind etablierte Bürger in einer Auszeit in der Passiflora, oder Künstler auf der Suche nach verblassender Kreativität … Können damit meist besser umgehen wie mit Alkohol. Was Hexenjäger betrifft, die sind alle bestialische Folterer, Mörder … Monster. So schluckte unser Hexer nur kurz, als einer der Halunken meinte: „Na schön, Hexenmann. Nimm deine Kröten und zieh ab.“. „Sollen die armseligen Halunken die bösartige Bazille beseitigen.“, dachte sich Geralt, nahm die Kohle und zog tatsächlich ab. (Für die kleine NQ: „Novigrad, die gesperrte Stadt“, lohnt kein eigenes Kapitel.)

Einen fröhlichen Bolero pfeifend trabte Geralt zum nächsten Stadttor. Wie freute sich Plötze, über einen Ausritt zu den Vegelbuds bei schönstem Wetter. Der Halbling war schnell unter den Besuchern der Rennbahn gefunden. „Henri Rautlec, Künstler, Maler, Schuldner und Märtyrer meiner Kunst. Zu deinen Diensten.“, stellte sich das lebensfrohe Kerlchen artig vor. Damit hatte er bei unserem Hexer schon mal gute Karten. Als er dann noch anfügte: „Sag Rittersporn, seine Plakate sind längst fertig und gut versteckt. Kann aber leider nicht nach Hause, weil da eine Bande von wütenden Gläubigern lauert.“, verbesserte diese Ehrlichkeit Geralts Wohlwollen. Die akuteste Zwangslage, direkt hier an der Rennbahn, verkörperte eine gewisser Graf de Luverten. Der habe ihm in Aussicht gestellt, all seine Schulden zu tilgen, wenn er auf Sieg beim nächsten Rennen setzt. Geralt kam dies komisch vor, denn was wollte der Graf dem armen Künstler noch abnehmen. Luverten, ein jüngster Sohn aus steinreicher Juwelenhändlerdynastie … betrachtet das Leben anderer wohl nur als kurzweiligen Bestandteil seiner Späße. Geld bedeutet solchen Erbmillionären ja oft nichts mehr, weil unerschöpflich vorhanden. „Was machst du dir groß Sorgen? Ergreife die Chance.“, riet Geralt dem Künstler in Notlage. „Ich hatte in letzte Zeit sehr viel Pech. Wenn ich das Angebot annehme und wieder verliere ...“, jammerte der Halbling, nun nicht mehr lebenslustig.

Es zeigten sich Geralt zwei Möglichkeiten. Er konnte selbst beim Rennen antreten, Henri auf sich setzen lassen und gewinnen. Damit würde er aber die Spielsucht des Künstlers deutlich pushen. Der sollte sich an keine trügerische Aussicht mehr klammern, man könne durch Spielgewinne all seine Sorgen loswerden. Dies genau ist ja der schlimmste Suchtfaktor bei Spielern und Geldwettern. Der eine Gewinn, oft vor langer Zeit … Die müssen begreifen: Am Ende gewinnt immer die Bank! Was Geralt außerdem machen konnte, ganz schlicht und einfach, die Schulden von Henri Rautlec tilgen, läppische 200 Kronen. Geralt sah dies als Spende an die schönen Künste, eine ehrbarere gibt es wohl kaum. So bot er großherzig an: „Überlass mir deine Schulden. Ohne jegliche Bedingungen.“. Damit war er natürlich ein 'Graf' vom allerhöchsten und nobelsten Schwertadel, auch ohne ererbten Titel und gewaltigen Vermögen. (20 Exp) „Danke … das durfte ich nicht erwarten … Darf ich fragen, womit ich diese Großzügigkeit verdiene?“, wollte der leidenschaftliche Maler wissen und nahm an, im Gegensatz zu einem gewissen stolzen Freund, auch ein leidenschaftlicher Künstler. „Sagen wir einfach, ich repariere gerne mit einer guten Tat, wenn es mir angebracht erscheint. Bei dir ist dies so. Können wir die Plakate gleich holen.“, winkte Geralt nicht unhöflich ab. „Ich bringe sie ins Rosmarin & Thymian, sowie ich den Verpflichtungen nachgekommen bin.“, schlug Henri wieder fröhlich vor. „Prima. Dann sehen wir uns gleich dort.“, freute sich auch unser Hexer. Was für ein schöner Tag. Man durfte guten Leuten helfen, miese Schufte bekamen heftig auf die Fresse …

°272
Mitgift (NQ)

Am schönsten war ja, Geralt hatte damit das künstlerische Projekt von Rittersporn und seiner Priscilla nun doch indirekt finanziell unterstützt, ohne das die etwas merkten und seinen Beitrag ablehnen konnten. Die Renovierung war mittlerweile sicher im vollen Gange, da hatte sicher keiner Zeit zum feiern. Rautlec wird sicher nur ein paar Stündchen benötigen, bis er seine Plakate dort abliefert. Bevor man ihn nun losschickt, um bei deren Verteilung und ähnlichen Kinderkram behilflich zu sein … Dachte sich unser Hexer: „Ich hab mir eine kleine Auszeit in der Natur verdient, weit ab der miefigen Stadt und den vielen schäbigen Bazillen, mit denen man ja doch ständig aneinandergerät.“. Reitet man vom pompösen Landsitz der Vegelbuds fast schnurgerade nach Süden, erreicht man nördlich von Oxenfurt das Vorwerk „Sturmfelder Hof“. Auf Geralts Feldkarte prangte genau westlich davon ein dickes Fragezeichen auf einer dieser Inseln nördlich vom Fort Weißer Adler. Geralt galoppierte nicht direkt zum Sturmfelder Hof, sondern zu einem seichten Gebiet zwischen diesem Vorwerk und der winzigen Ortschaft Caerstuen. Von da konnte man die Inselgruppe durch etwa knietiefes Brackwasser mit dem Pferd erreichen. Zunächst ein wunderschöner Ausritt über saftige Wiesen, auf denen sich Gruppen von uralten kräftigen Bäumen befinden. Eine fast märchenhafte und magische Landschaft, voller urwüchsiger Kraft und Energie, in der sich einige Rudel Rotwild tummeln. Doch dann in Ufernähe, bereits in Sichtweite von Oxenfurt, wird man krass vom schädigenden Einfluss gieriger Menschen geschockt. Mutwillig demolierte Bäume, zertrümmerte Wagen, zerstörtes Kriegsgerät, diverser weiterer Unrat und Müll dieser Art verschandeln die einst urwüchsig schöne Landschaft. Dazwischen wuseln armselige Gestalten, haltlos, heimatlos, entwurzelt … die menschlichen Opfer ihrer eigenen Art. „So geht es denn zwangsläufig zu Ende mit ihnen … den Baummördern.“, brummte Geralt und ritt kopfschüttelnd weiter. Denen kann man nicht helfen, weil kaum noch lernfähig.

Doch auch für die bodenständigen Bauern und Jäger dieser Gegend könnte das Fragezeichen eine Bedrohung bedeuten. Geralt ritt durch die Flüchtlinge, das spritzende Wasser der seichten Fuhrt … zu diesem Ort, welcher, allein durch fast zahllose in den Schlick gerammte böse zugespitzte Pfähle und demolierte hölzerne Kriegsgeräte, ein merklich schlechtes Omen ausstrahlte. Unglück und Tod schwebte über diesem Ort, man konnte es riechen, schmecken, fast greifbar fühlen. Plötzlich ertönte ein schauerliches Gekrächz hoch über unserem Hexer am Himmel. Und ja, das durch menschliche Gier und Mordlust herbeigeführte böse Omen hatte sich tatsächlich greifbar manifestiert – ein gewaltiger Basilisk trieb hier nun sein Unwesen. Unser Witcher ritt einige Meter am hier versteckten Schatz vorbei, sprang aus dem Sattel, damit Plötze sich aus der Gefahrenzone des kommenden Gemetzels entfernen konnte. Der Basilisk kreiste laut krächzend in großen Schleifen über ihm, welche er aber langsam und stetig immer enger und tiefer vollzog. Diese Fuhrt war also sein bevorzugtes Jagdrevier. Zunächst von den frischen Kadavern des Krieges angelockt, wird er nun jeden Passanten anfallen und fressen. Der Basilisk ist ein kräftiger und gefährlicher Draconide, wenn auch nicht so gewaltig stark wie ein Königswyvern, oder so zäh und wendig wie ein uralter Gabelschwanz. Mit Draconidenöl auf der Silberklinge ist ein Monsterjäger beim Kampf gegen einen Basilisken sehr gut beraten. Die Bombe Kartätsche lässt das ölige Gefieder aufflammen und verursacht ordentlich Schaden. Dieser Basilisk hier, war aber uralt, eigentlich der absolut größte, der Geralt jemals unter die Klinge kam. So griff er zu seinem Hilfsmittel für besondere Fälle, nicht dem geliebten Trank Schneesturm, nein, noch krasser, zum Ekkima-Absud.

Ein gewaltiges Rauschen, mit einer derart kräftigen Windböe, als der Basilisk im Sturzflug auf unseren Hexer hinabstieß, das umliegende Riedgras neigte sich bis auf den Boden oder Wasserspiegel, Geralts dicker Zopf flatterte wie ein Wimpel an einem Streitwagen in voller Fahrt. Selbst die gut dreißig Meter entfernt grasende Plötze stieg auf ihre Hinterhand und wieherte in Todesangst. Und Plötze ist ein mutiges Ross, was jeden Wolf oder Warg mit den Hufen angreift. Geralt wäre vermutlich ins Taumeln geraten, vielleicht gar gefallen … hätte er sich nicht blitzschnell mit einem Hechtsprung zur Seite gerettet. Gerettet ist falsch. Natürlich war dies ein taktisches Manöver, um dem Basilisken augenblicklich und unerbittlich mit flinken Hieben in die Flanke zu fallen. Doch dieses dichte und dicke Gefieder … Geralt konnte darauf einprügeln, auch mit gewaltigen Hieben, es war kaum zu durchdringen. Der Basilisk nahm seinerseits also kaum Schaden, hackte aber mit seinem harten Schnabel nach unserem Hexer. Der wich diesen Attacken mit Schnabel und Krallen erfolgreich aus, befand sich aber sehr schnell in einer heimtückischen 'Geheimwaffe' des Basilisken, einer abgesonderten giftigen Nebelwolke. Hier half ihm der Ekkima-Absud vortrefflich. Mit jedem Treffer, welchen er dem Basilisk zufügte, regenerierte er nämlich dadurch seine Gesundheit. So musste er nicht zu Gegengiften greifen, oder diversen Heiltränken, brauchte nur unerbittlich weiter auf das Monstrum einprügeln. Vorsicht war dennoch stetig geboten, denn Gift und ein etwaiger Schnabelhieb … das könnte man auch mit dem Ekkima-Absud nicht kompensieren. Weil der Basilisk so uralt und unheimlich zäh war, zog sich der Kampf … bis sich das Monstrum zum Kräftesammeln wieder in die Höhe schraubte.

Hier stand unserem Lieblingshexer noch ein schweres Stück Arbeit bevor. Die Taktik war gut, die Taktik war richtig, es galt hochkonzentriert weiter anzugreifen. Damit es vielleicht doch ein bissl schneller und 'einfacher' geht, beschloss Geralt das gegebene Terrain strategisch mit einzubeziehen. Hierzu boten sich die zahlreichen angespitzten Pfähle der Kriegstreiber an. So bewegte sich unser Hexer dicht an besonders böse scharfen Rammpfählen, um den Basilisken dabei mit wilden Gefuchtel mit der blitzenden Silberklinge zu locken. Als ob man diese spitzen Pfähle für Luftangriffe konzipiert hätte … Es klappte, der Basilisk stieß herab, spießte eine seiner Schwingen auf eine Pfahlreihe. „Das wars mit dir – Mistvieh!“, brummte unser Hexer und schlug noch gnadenloser auf das nun in seiner Bewegungen stark eingeschränkte Monstrum ein. Es brauchte schon noch eine gute halbe Stunde … Irgendwann war der Basilisk derart geschwächt, ließ seinen Kopf sinken, Geralt holte weit über seinen aus, um die Klinge mit aller Kraft auf den kräftigen Hals zu schmettern. Der riesige Schädel plumpste in die Sumpfwiese. Ein wahrhaft epischer Hieb, der eine dicke Kuh in zwei Hälften gehackt hätte. Denn ungefähr so dick war der Hals des Basilisken, in etwa dem Umfang eines Leibs von einem besonders fetten Mastbullen entsprechend. Ein ganz spezielles Mutagen hinterlässt solch ein Monstrum, dazu sein Gift und die dicke Haut, ein hochwertiger Rohstoff für Rüstungen.

Das wichtigste war damit erledigt, auf dieser von bösen Menschen malträtierten Welt gab es wenigstens ein Monstrum weniger. Auch unser Hexer lebt nicht von Sonnenschein, süßen Mädchenküssen und der belebenden Aura guter Taten allein … Er braucht hin und wieder das schnöde Geld, sei es nur darum liebe Freunde damit zu unterstützen. Einen Auftrag für diese gefährliche Bestie hatte er nicht. Aber seine Sinne signalisierten ihm, hier liegt ein fetter Schatz ganz in der Nähe. Eine dicke braune Holztruhe bei einem gesunkenen Ruderboot leuchtete ganz rot und vielversprechend. Leider erwies sich dieser 'Spartopf' als fest verschlossen. So musste Geralt seine speziellen Hexersinne erneut schärfen. Auf einem der Pfähle war ein Mann gespießt. Wohl hatte ihn der Basilisk darauf fallen lassen, als Reserve für schlechte Tage vielleicht. Einen Schlüssel hatte dieser Kadaver nicht auf Tasche. Dichter am Ufer, lag eine junge Frau, leider ebenfalls tot. Die Ärmste trug einen Schlüssel bei sich, dazu einen Brief. Geralt nahm diese Dinge an sich, sie brauchte sie ja nicht mehr. (Quest startet)

Geralt las: „Liebster Paps, die Hochzeit ist vorbei. Es ist vollbracht. Es lief nicht alles so, wie ich es als kleines Mädchen immer wünschte. Du hast mir beigebracht, stets das Beste aus dem zu machen, was ich habe. Wir sind nun auf Reisen … Wie du sicher bemerkt hast, sind aus deiner Geldkassette ein paar Kronen verschwunden, der Geschirrschrank ist um ein paar Silberteller leichter und auch das Schmuckkästchen ist nicht mehr ganz so voll wie noch zuletzt. Ich war es. Als meine Mitgift. Zweifellos weniger, als du freiwillig gegeben hättest, hätte ich mir einen 'würdigeren Partner' ausgesucht, aber so spielt das Leben. Kurt, oder 'diese miese Taugenichts von einem bettelarmen Faulpelz', wie du ihn nennst, ist nun mein Ehemann. Und die für dich so kostbare Unschuld deiner Tochter, für dich stets wichtiger wie ihre Gefühle, Tränen und Bitten ...“. Das arme Mädel war schwanger, von einem, der nach Meinung ihres Vaters, nur einen Köter oder Halunken zeugen kann. Folgerichtig hat sie sich für immer abgenabelt, ist ihrem Glück gefolgt, um sich von der bescheidenen 'Mitgift' ein für den despotischen Vater unerreichbares Heim für ihre kleine Familie zu schaffen. Leider hat es dann doch nicht geklappt. Von Herzen hätte ihr unser Witcher diese kleine Glück gewünscht. Aber so ist sie, diese unerbittlich harte Welt. Ohne Emhyr, und auch Radovid, keinen Krieg - ohne Krieg, sicher keinen Basilisken an diesem Ort. Damit war der fröhliche Ausritt in die Natur für Geralt nun endgültig vorbei. Die alltäglichen Sorgen der destruktiven Menschheit hatten ihn wieder vollständig in ihren gierigen Klauen.

°273
Fleischliche Sünden

Vor dem künftigen Varietee von Novigrad stach Geralt sofort das neue Schild über dem Eingang ins Auge, eine hübsche Sängerin mit Laute war darauf abgebildet. Allerdings hatte der Maler der Schönheit wundervolle rabenschwarze Locken verpasst, statt dem seidig glatten Blondhaar von Priscilla. Neben dem Eingang wurde eine kleine Bühne aufgebaut, darauf Spielleute und Tänzerinnen in Aktion, welche mit ihrer Darbietung vor allem die Neueröffnung anpriesen. Zwei Damen in aufreizend knapper Gewandung flankierten die Eingangstür, wohl als Hinweis und Zugeständnis an den weiterhin auch erotischen Auftrag dieses Etablissements. Rautlec hatte also bereits Wort gehalten. Und ja, Rittersporn und seine Crew waren alles andere als untätig gewesen, in der verstrichenen, relativ kurzen Zeit. Geralt war angenehm überrascht … bis vielleicht auf eine winzige Ausnahme, der Laden hieß nun „Chamäleon“. Jeder kennt sicher diese eher unscheinbaren Echsen, mit ihrem seitlich platten Körper, den Glupschaugen und den recht unschönen 'Hörnern' darüber, den ungeschickt wirkenden Greifklauen, mit welchen sie sich hauptsächlich möglichst unauffällig durch dichtes Gebüsch und Baumkronen mogeln. Eine Art davon trifft man in nördlichen Gefilden an, auf südlicheren Kontinenten so um die 85 weitere. Man sieht sie aber kaum, da sie sich durch Veränderung ihrer Pigmentausdehnung noch unscheinbarer und unauffälliger machen können. So liegen sie verborgen und fast leblos still auf Lauer, auf ihrer ewigen Jagd nach Insekten. Gesehen werden will das Chamäleon also nicht, aus Angst vor Feinden, vielleicht auch wegen seinem nicht gerade vorteilhaften Aussehen. Es ist demnach auch nicht aggressiv, außer zu eigenen Artgenossen in der Paarungszeit, dann aber oft sogar zum eigenen Partner. Wie passt das bitte schön zu einem guten Kabarett, was bekanntlich von bissiger Satire und von einer provokant auffälligen Präsentation lebt?! Nein - nicht wirklich! Rosmarin & Thymian dagegen, repräsentieren recht deftige Würzkräuter. Würzig-scharf … so sollte ein Kabarett schon rüberkommen, dazu provokant und etwas aggressiv, nicht unauffällig und angepasst. Geralt fand den alten Namen also besser, passender …

Rittersporn dagegen, assoziiert mit Rosmarin & Thymian nur temerische Küche, serviert von Kellnerinnen in Bauerntracht. Welch kreativ fantasievolle Gedankengänge, von einem Poeten immerhin?! Selbst wenn … Auch deftiges Essen selbst – symbolisiert den urigen Brei des Lebens wie nicht anderes. Essen + Sex – die sinnlichsten Beschäftigungen, besser Begierden, überhaupt, um die sich fast alles dreht … in diesen zwischenmenschlichen Kämpfen und Verdrehungen, mit denen sich die Programme von Kabaretts nun mal beschäftigen. Geralt zuckte mit den Achseln … besonders noch mehr, als Rittersporn ihn vor seinen hilfsbereiten Kopf stieß: „Nicht wirklich übel … aber ich hätte doch … du weißt schon … etwas mehr Theatergemäßeres erwartet.“. Was für ein Schmock!!! Der Bursche muss spätestens zwanzig Minütchen nach Beginn der Renovierung hier gewesen sein. Deswegen ging Geralt ja die Plakate holen. So konnte Rittersporn also bequem alles nach eigenen Wünschen gestalten. Jetzt hadert er … und sein bester Kumpel soll den Sündenbock bei Nichtgefallen … Geralt stand natürlich hinter seiner 'Entscheidung'. Wäre er hier Leiter, Mitbetreiber, wie auch immer … Warum mit den Kollegen von Irina und aus dem Eisvogel in Konkurrenz treten, wenn man sich doch ergänzen und gegenseitig unterstützen kann? Massive Anfeindungen kommen von der Tempelinsel und deren fanatischen Anhängern mit Sicherheit. Wäre doch schön, wenn man dagegen gemeinsam einen besseren, friedfertigeren … Ausweg bieten könnte, die Missstände anprangern und so. Dieser New Stile hier, bietet dafür weitere Optionen, zieht eine weitere Zielgruppe … Na ja, unser Hexer zieht sehr bald weiter. Nach der Eröffnungsparty, wird er vermutlich erst in zehn Jahren wieder hier aufschlagen. Ob es dann das Chamäleon noch gibt? Man wird sehen, ob das verliebte Bardenpaar tatsächlich zusammen und hier bodenständig am Ort bleibt. Geralt hat da noch immer so seine Zweifel. Rittersporn pumpt mit makaberen Tricks eine ältere 'Gespielin' an, um seiner neuen Flamme zu imponieren. Hat er sich also wirklich geändert … Priscilla müsste also schon sehr stark sein, dauerhaft. Tränen und schmollende Auftritte werden auf Dauer wohl nicht reichen.

Natürlich wünscht man dem Künstlerpaar von Herzen, sie mögen eine gemeinsame glückliche Zukunft mit diesem Projekt finden. So brummte unser Hexer versöhnlich: “Was ist mit der Choreografie? Habt ihr für die Eröffnung etwas besonderes vorbereitet?“. „Nicht wir, sondern Polly! Sie ist unbezahlbar! Kam rein und hatte die Mädels auf Linie, noch bevor ich Unterwäsche sagen konnte! Bei der Premiere wird es stehende Ovationen geben – und kniende! Gleichzeitig!“, gab Rittersporn ehrlich und euphorisch zu. „Wenigstens was!“, dachte sich Geralt erleichtert und hakte nach: „Dann ist wohl alles bereit? Wann ist denn die Eröffnung?“. Da fiel Priscilla ein: „Bald. Wir haben in einer Stunde Kostümprobe. Ich muss noch schnell mein Kleid abholen.“, um sich umgehend zu sputen. Ein bevorstehender Anblick, auf den sich unser Witcher freute. Da sie nun unter vier Augen waren, nutzte Rittersporn den Augenblick: „Danke für alles. Meine Träume vom Kabarett werden wohl wahr. Zur Feier eine Runde auf meine Rechnung?“. Geralt war längst klar geworden, es wird hier keinen gemeinsamen heftigen Umtrunk mehr geben, so wie damals, mit Triss und Zoltan, als Rittersporn in letzter Sekunde seinen Hals aus dem Galgenstrick von Flotsam, oder bei der Party mit Shani … die Vorräte der grantigen Vermieterin geplündert … Nein, diese Zeiten sind vorbei. „Heute hat keiner mehr Bock auf – Kiffen, Saufen, Feiern.“, heute ist jeder im Dauerstress seiner Verpflichtungen, auch wenn die rein selbstgeschmiedet ablaufen. So nahm er wenigstens das Angebot auf diesen 'Scheidebecher' gerne an.

Doch gleich nach dem ersten kräftigen Schluck … gelangte Rittersporn zu seinen alltäglichen 'Sorgen' zurück, um seinen Freund auszuforschen: „Der Vorarbeiter hat dich und Priscilla reden sehen … Uuund, hat sie etwas über mich gesagt?“. Geralt lag schon auf der Zunge: „Ja. Du bist fett und stinkst.“, sagte aber etwas feinsinniger und nicht ganz so deftig: „Sie sagte etwas, was mich an ihrem Verstand zweifeln ließ. Du wärst verantwortungsvoll und stehst mit beiden Beinen fest auf dem Boden.“. Da musste selbst der abgebrühte Schwerenöter einen weiteren kräftigen Zug … bevor er rausbrachte: „Du nimmst mich auf den Arm.“. „Diesmal nicht.“, brummte Geralt mit einem fetten Grinsen. Erneut hob Rittersporn seinen Becher zu einem tiefen Zug, eigentlich bis auf dessen Grund. Um die Ansprüche dieser Herzdame erfüllen zu können … reichen keine stimmungsvollen Vorträge aus „Der Mantel und der Degen“, auch keine schmachtenden Verslein mit eingefügtem Namen … All das, kann die Bardin auch selbst, mindestens so gut. Hier wird er alles geben müssen, bis aufs letzte Eingemachte, und das immer. Man merkte Rittersporn an, er weiß das im Grunde, steht unter permanenter Spannung deswegen. So sprang der Barde nach einigen weiteren Sticheleien auch auf, um besorgt und aufgebracht zugleich auszurufen: „Sie verspätet sich. Natürlich. Sie weiß, wie wichtig mir dieser Abend ist!“. Geralt wäre nie in den Sinn gekommen, Priscilla könnte absichtlich auf sich warten lassen, so brummte er, allerdings weiter fett grinsend: „Natürlich weiß sie das. Sie wirft sich bestimmt nur besonders in Schale … Das dauert ...“. „Dann ist es war … Die Eitelkeit der Frauen kennt keine Grenzen.“, echauffierte sich Rittersporn. An dieser Stelle prustete Geralt seinen letzten Schluck Wein über den Tisch und schlug sich mit beiden Händen kräftig auf seine Schenkel. Was für ein Brüller! Stand doch der mit Abstand eitelste Mensch der nördlichen Königreiche vor ihm … Und sagte – das.

Geralt wollte gerade köstlich amüsiert nachfragen, wie lange Rittersporn an diesem Morgen brauchte, um die fast zahllosen Strasssteine an seinem Purpurwams zu polieren … Da stürzte ein völlig aufgelöster Bengel herein: „Meister Rittersporn … Priscilla … Sie ...“. Geralt gefror sein gelöstes Lachen schlagartig, hier lag Ärger in der Luft, ganz böse massiver Ärger. „Was?! Sammle dich! Sprich, Mann!“, knurrte er den Boten streng an. Der konnte sich tatsächlich etwas beruhigen und stammelte: „Sie wurde schwer verletzt. Sie wurde angegriffen. Man hat sie … ins Vilmerius-Hospital gebracht.“. „Angegriffen? Sie ist v … verletzt? Geralt … komm mit. Bitte!“, stammelte nun auch Rittersporn, schlagartig kreidebleich vor Angst um seine Geliebte. „Natürlich. Los, Mann.“, brummte Geralt, möglichst ruhig, und zog seinen alten Freund am Arm mit sich. Mit fliegenden Schritten, Geralt rempelte sämtliche Gaffer unbemerkt unterwegs beiseite, erreichten sie das Spital.

Priscilla lag auf einem Bett, völlig ermattet, fast ohnmächtig. Man hatte sie wirklich übel zugerichtet – ein wahrer Schock. Doch ein guter Arzt hatte sie bereits versorgt, die Wunden gesäubert, einen Verband über eines der schönen Augen angebracht … Welcher Perverse kann der schönen und friedfertigen Künstlerin das angetan haben? Das Gesicht war von Schlägen geschwollen, die Lippen aufgeplatzt … Am Hals bemerkte unser Hexer mit seinem geschulten Augen die wohl übelste Verletzung. Rittersporn war außer sich vor Sorge, doch der versierte Mediziner beruhigte ihn, versuchte es zumindest: „Sie wird es überleben. Das halte ich für sicher. Ihr Zustand ist ernst, aber stabil. Ich bin Joachim von Gratz, Chefarzt der Chirurgie. Bis vor kurzem noch Dozent an der Akademie von Oxenfurt.“. Nachdem sich sein Freund einigermaßen beruhigen konnte, hakte Geralt fachkundig nach: „Was hat sie für ernste Verletzungen? Abgesehen von Hals und Auge?“. Da kam der Chefarzt raus damit, man hatte sie gezwungen eine ätzende Flüssigkeit zu trinken. Geralt schlussfolgerte glasklar: „Dann war dies kein Raubüberfall.“. „Eindeutig nicht … Es war das Werk eines Irren. Und leider nicht sein erstes.“, bekannte Joachim. Geralt ahnte schlimmes, als er brummte: „Wie kommst du darauf?“. „Ich habe solche Verletzungen schon gesehen. Alltäglich sind sie ja nicht. Gerade diese Woche ist eine Leiche mit ähnlichen Verletzungen in der Leichenhalle aufgetaucht – dazu ohne Herz.“. „Das hä … Hätte Priscilla also auch passieren können. Wird der Vorfall untersucht?“, schwante sogar dem beunruhigten Rittersporn. „Wir sind in Novigrad. Hier brennen nur die Unschuldigen.“, erklärte der Chirurg, schon recht resigniert. Ein weiterer Schock, in anderen Gegenden, möchte man meinen. Rittersporn fasste sich einigermaßen, um aber empört zu verlangen: „Geralt … Ich weiß, du hast einiges gut bei mir, hundertfach. Aber … Finde den Bastard, der das getan hat. Finde und töte ihn!“. Geralt legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter, sah ihm ernst in die Augen, um beinahe 'feierlich' zu geloben: „Du musst mich nicht überreden.“.

°274
Während unsere Freunde darüber grübelten, wo sie mit der Ermittlung für diesen besonders grausamen Serienmörder ansetzen könnten, kam der praktische Arzt und Chirurg mit einem praktischen und recht konstruktiven Vorschlag: „Wir sollten die Leiche des vorherigen Opfers untersuchen. Sie muss noch seziert werden … Dabei könnten wir auf nützliche Hinweise stoßen. Schaut mich nicht so perplex an, meine Herren. Als Arzt weiß ich um die Bedeutung von Präventivmaßnahmen. Ich würde nicht warten, bis der Irre erneut zuschlägt, sondern eine sofortige Exzision anstreben. Wie bei tumorösen Geschehen.“. „Der Mann passt in diese Welt!“, wusste Geralt sofort und hakte nach: „Wie kommen wir in die Leichenhalle hinein?“. „Durch den Haupteingang sicher nicht. Aber es gibt einen Weg durch die Kanalisation.“, bekannte Joachim von Gratz. „Die Kanäle … Bist du da öfter, Doktor?“, fragte Rittersporn argwöhnisch. „So oft es zu … hm … präventivmedizinischen Maßnahmen erforderlich ist.“, gab Joachim zu. Wieder erinnerte sich Geralt an seine frühere Freundin Shani, ihre praktische Art, wie sie damals gemeinsam solche Fälle angingen. Um dem Arzt sein Einverständnis und gleichzeitig sein Vertrauen in diese Art der Ermittlung zu bekunden, brummte unser Hexer: „Alternative Behandlungsmethoden. Aggressive, schätze ich. Sehr interessant.“. „Wir können dies unterwegs besprechen. Bereit?“, bot der Chirurg offen an und drängte gleichzeitig auf den sofortigen Beginn ihrer radikalen Behandlung gegen diesen mörderischen Irrsinn. Das war ganz im Sinne unseres Witchers. So brachen sie umgehend auf.

Damit Ritterspron nicht ohne Hoffnung zurückbleiben musste, und dies sollte er unbedingt, versprach Geralt mit Nachdruck: „Wer immer es war, ich werde ihn kriegen, mein Freund. Selbst, wenn's Hierarch Hemmelfart ist.“. Das leuchtete dem Barden ein, er musste bei seiner Liebsten bleiben. Es musste jemand da sein, wenn sie aufwacht, der sie betreut … Der Arzt konnte im Moment nicht mehr für sie tun. Bei der Ermittlung wird er dagegen eine große Hilfe sein. Auf Rittersporn … müsste man eher aufpassen. So betrat Geralt mit seinem neuen 'Kollegen' recht hoffnungsvoll die Kloake der Großstadt. Zunächst wollte er von diesem wissen: „Präventivmaßnahmen in der Kanalisation … Worum geht es dabei genau?“. Gefasst erklärte Joachim: „Überleg doch. Es ist recht mühsam, die Opfer von Ertrunkenen zusammenzuflicken. Warum nicht gleich am Problem anstatt an den Folgen arbeiten?“. Während unser Hexer frotzelte: „Ihr verdammten Idealisten macht noch meine Geschäfte kaputt.“, knurrte Joachim: „Zieh deine Waffe. Es geht los.“. Geralt hatte das Grunzen und Scharren längst gehört und sein Silberschwert in der Hand. Während er die aggressiven Nekrophagen mit Klinge und Aard befriedete, schoss Joachim mit einer großen Armbrust Bolzen auf sie. Ja, der schien das schon einige Male gemacht zu haben. Hinter dem nächsten Knick lauerte ein garstiges Wasserweib. Zum Glück war unser Hexer ein paar Dutzend Meter voraus, denn diese Monstren, sind dann doch eher nur für Experten wie ihn geeignet. Ein Runenkreis des Yrden-Zeichen, ein paar Hiebe mit der Silberklinge, verstärkt durch Nekrophagenöl … und die hässliche Bestie war erledigt. Weitere Horden von Ertrunkenen lauerten in den düsteren Gängen. Die Stadt hatte also ein massives Problem mit diesen. Es gab aber keinen Aushang deswegen, kein Interesse der Obrigkeit dies zu ändern. Wie sagte der Arzt so treffend: „In Novigrad brennen nur die Unschuldigen.“. Ausschließlich darauf konzentriert man den kompletten Polizeiapparat, mit all seinen Ressourcen.

In einem 'ruhigeren' Tunnel fragte Geralt seinen neuen Kumpel: „Priscilla … Wie sieht es wirklich aus? Bitte die Wahrheit, ohne Umschweife.“. Da gab der Arzt zu: „Ihre Wunden werden heilen. Aber ihre Stimme macht mir Sorgen. Sicher ist dir klar, was ein Stimmenverlust für eine Bardin bedeutet. Es könnte sie sogar den Lebenswillen kosten.“. Geralt war dies klar und es krachte und knirschte beängstigend, als seine Zähne … sich die Hand um den Schwertgriff … Wer die Welt von solch einer liebreizenden und friedfertigen Frau, von diesem einzigartigen Talent, von dieser lieblichen Stimme … beraubt, der ist ein ganz besonders bösartiges Monstrum. Schließlich gelangten sie in einen Bereich mit hölzernen Plattformen und Leitern. Über diese erklommen sie höher gelegene Gewölbe mit Fackeln an Wandhaltern ausgeleuchtet, die Leichenhallen der Stadt.

Joachim von Gratz drängte zur Eile. Sie könnten gestört werden, vom städtischen Leichenbeschauer, von einem gewissen Hochwürden Nathaniel Pastodi. Was Geralt fand, war zunächst ein aufgebahrter Hexenjäger, von Nekrophagen zerfleischt. Nicht mal die eigenen Leute, waren diesen Fanatikern einen Aushang für eine Prämie wert. Die hatten wirklich jegliche Achtung vor dem Leben im Hier und Jetzt verloren. Damit verdient man sich natürlich auch keine in einer kommenden esoterischen Welt, falls es diese geben sollte. Unsere 'Naturwissenschaftler' standen natürlich nicht auf 'philosophische' Betrachtungen über ein mögliches 'Leben' post Mortum. Für derart paradoxe Gedankenspiele … war auch keine Zeit. Es galt reale Fakten zu finden, mit denen man logisch klar schlussfolgern kann. Was sie genau suchten, war die Leiche von einem Zwerg, einem Holzschnitzer. Geralt fand eine solche, mit besonders dickem Bauch. Doch Joachim wiegelte ab: „Das ist eine Sie. Denk daran, Bärte sind bei Zwergen nicht geschlechtsspezifisch.“. Oha – dieses Zwerg hatte auch keine Titten, riesige Pranken und Füße, breite Schultern und verhältnismäßig schmale Hüften, der stachelige Vollbart … in der Hose schaut man besser nicht nach. Kann man männliche und weibliche Zwerge überhaupt augenscheinlich angezogen unterscheiden? Als Mensch, sogar als Hexer, sicher nicht. Den kleineren Humanoiden werden ihre Damen schon gefallen. Der nächste Zwerg war auch nicht der richtige, denn er hatte die schwielenlos weichen Hände eines Bankiers. Doch dann endlich: „Schwielen an den Händen, Holzspäne im Bart, Harz an den Kleidern … Das muss unser Zwerg sein.“. „Sehr gut … Du gehst doch nicht in die Knie, wenn du Blut siehst?“, fand auch Joachim. Einem Hexer gestellt, ist dies wohl eher eine rhetorische Frage. Geralt brummte: „Ich hab bereits die ein oder andere Autopsie … Also, fang an.“.

„Womit?“, fragte der Chirurg unseren Chefermittler. „Mit den Genitalien.“, bestand Geralt, denn er wollte es nun zugegeben auch endgültig lüften, das Geheimnis um die Geschlechtsmerkmale der Zwerge. Joachim von Gratz moserte zwar: „Ich bezweifle stark ...“. Sie waren auf der Suche nach einem irren Triebtäter, da gibt es keine Zweifel und alle abstrakten Möglichkeiten müssen berücksichtigt werden. So verlangte Geralt: „Abwarten. Runter mit der Hose.“. Zum Vorschein kam: „Syphilis. Frühes Stadium. Keine Zeichen von Diffusion.“. „Könnte es da einen Zusammenhang ...“, „Höchstens als mögliche Motivation des Mörders.“, schlussfolgerte der Chirurg. Geralt schloss allerdings ganz sicher aus, Priscilla könnte mit dieser Geschlechtskrankheit … Man hätte sich den Anblick ersparen können. An den Beinen stellte der Arzt fest: „Sein rechter Fuß – der Knöchel ist geschwollen, die Zehennägel sind abgebrochen. Er trat offenbar hart zu, bevor er selbst abgetreten ist.“. Das musste Blessuren am Täter hinterlassen haben. Nicht unbedingt ein überführender Beweis, aber innerhalb einer Kette von weiteren Ansatzpunkten … So bemerkte unser Hexer: „Sie dir seine Hände an. Diese Striemen … Die stammen von einem Strick, nicht wahr? Er war also gefesselt.“. „Das ist anzunehmen. Anders hätte man ihn wohl kaum foltern können.“, bestätigte Joachim, schon etwas zerknirscht. Geralt bemerkte den verbitterten Unterton und hakte nach: „Sprichst du aus Erfahrung?“. „Ja, aus der eines Opfers. Ich habe drei Jahre im Kerker von Dreiberg verbracht … lange Geschichte. Vielleicht ein andermal.“, gab der Arzt freimütig zu. Kam aber sofort zum praktischen Thema zurück, mit einer weiteren Beobachtung: „Siehst du die Schwiele? Unser Zwerg trug einen Ring. Den hat ihm jemand abgenommen.“. Eine Trophäe ist ein schlagkräftiger Beweis, stellt man sie beim Täter sicher.

Nun gelangten sie zum Torso, welcher einige Ansatzpunkte bot, wie: „Was haben wir denn da … eine tiefe Wunde auf der linken Thoraxseite. Und eine Narbe über die ganze Länge des Abdomen.“. Geralt verlangte zusätzlich: „Öffne auch die Bauchhöhle.“. Der Arzt warnte, zwecks Verwesungsgeruch … Doch diesen gab es nicht, wie unser Hexer mit seinen sensiblen Sinnen längst bemerkte. Der versierte Arzt hatte dafür eine plausible Erklärung: „Formaldehyd. Eine medizinische Neuheit. Stark verdünnt dient es der Konservierung von organischem Gewebe. Weniger verdünnt … ist es ätzender als Säure. Das erklärt, warum die Verwesung nicht zu riechen ist. Und warum seine Kehle verätzt ist.“. Geralt wies auf eine weitere Auffälligkeit hin: „Sieh dir die Narbe an … lange, dünne Wunde … eine Inzision. Aber die Ränder sind ausgefranst.“. Doch der routinierte Chirurg stellte klar: „Das heißt nichts. Schau, keine Schwellung, keine Hämatome. Eine alte Verletzung, vielleicht ein Arbeitsunfall?“. Damit hatte er sicher recht und Geralt ging zum auffälligsten, zum wohl bestialischsten 'Angriff' auf den malträtierten Leib über: „Untersuchen wir die Wunde. Sein Herz wurde herausgeschnitten und die Wunde verätzt.“. Der Arzt bestätigte dies soweit, doch dann: „Augenblick, da ist noch was. Ein Ei … Ein Amphibienei … von einem Salamander? Versengt, aber intakt. Ich habe zwar seinerzeit einige Herpetologievorlesungen gehört … wüsste aber nicht, Amphibien nutzten jemals zur Eiablage Leichen. Entweder lag der Professor fürchterlich daneben … oder dies ist das Werk unseres Mörders.“. Letzteres stand für unseren Hexer fest. Weshalb und warum der Irre … Vorerst galt es weitere Fakten zu sammeln, abschließend bei dieser Autopsie am Kopf des Opfers. Dessen Haare rochen versengt, als habe er im Feuer gelegen und ja, man hatte ihm beide Augen 'entnommen'. Doch unser Hexer sah noch mehr: „Sieh da. Ein feiner Schnitt am Kehlkopf.“. Der Mediziner überlegte: „Aber warum? Die Wunde ist zu klein, um stark zu bluten. Keine Anzeichen einer Schwellung. Der Mörder … ich glaube, er hat eine Tracheotomie gemacht. Damit sein Opfer nicht zu schnell stirbt.“. „Was für ein kranker Sadist ...“, dachte unser Ermittler und stellte weiter fest: „Am Mund, Verätzungen und Blasen … Wie bei Priscilla.“. Der Arzt konnte dies nur bestätigen und auf eine weitere Perversität hinweisen: „Brandspuren in den Augenhöhlen. Ein graues Pulver … sehr fein, sicher Asche.“. „Der Mörder hat ihm die Augen entfernt und dann glühende Kohlen in die Augenhöhlen gesteckt.“, knurrte unser Witcher grimmig. „Sieht so aus. Nach den Wunden zu urteilen war der Schnitzer noch am Leben, als dies geschah.“, bestätigte der Chefarzt sachlich. Geralt hatte genug, von diesen pervers sadistischen Anhaltspunkten, um seine Ermittlungen an anderer Stelle vorantreiben zu können. Als Joachim um seine Schlussfolgerung bat, knurrte Geralt: „Es gibt kein für uns verständliches Motiv. Der Mörder ist unheilbar wahnsinnig. Ich werde seine Spur verfolgen. Wie hieß der Mann?“. „Fabian Meyer.“, wollte ...

°275
… Joachim gerade, da wurde er von einer leise süffisanten aber eindringlichen Stimme unterbrochen: „Und ich bin Hubert Rejk, der Leichenbeschauer. Ich wollte gerade die Autopsie vornehmen, aber du hast sie schon erledigt, Joachim. Wie immer mischt du dich ein, wo du weder erforderlich noch erwünscht bist. Und bringst dabei andere in Schwierigkeiten. Wer ist das?“. Geralt war gemeint und er war … recht erstaunt. Dieser Kerl hatte sich angeschlichen – lautlos. Bei einem Menschen – so verdammt leise und unbemerkt, das hatte unser Hexer mit seinen scharfen Sinnen noch nicht erlebt. Klar, sie waren in die Autopsie vertieft, vielleicht auch durch die grausamen Wunden und das sadistische Vorgehen des Mörders abgelenkt. Aber mindestens ein Hexerauge, ist immer auf Wacht, checkt unentwegt die Umgebung. Sein Geruchssinn, die Ohren unseres Witchers … schlafen niemals mit einhundert Prozent. Mit diesem 'Kunststück' machte sich der Leichenbeschauer unserem Hexer sehr suspekt. Natürlich ließ sich Geralt dies nicht anmerken und brummte wie selbstverständlich: „Ein Student. Ein Lebenslänglicher. Mit einigen Fragen.“. Aber auch auf diesem Gebiet, war ihm der Leichenbeschauer gewachsen, denn er erklärte scheinbar freimütig: „Dann raus damit. Aber beeil dich – Hochwürden Nathaniel kommt zur Inspektion. Er dürfte bald hier sein.“. Wieso inspiziert ein Hochwürden regelmäßig persönlich die Leichenhalle? Auch das war … schon etwas verdächtig. Geralt ließ sich weiterhin nichts anmerken und fragte interessiert: „Die Leiche des Schnitzers – wo wurde sie gefunden? Das ist wichtig.“. Die leise süffisant, fast interessiert beobachtende Klangfarbe in der Stimme von Hubert dem Leichenbeschauer änderte sich nicht um eine geringe Nuance, als er mit vielen wohlgesetzten Worten erklärte: „Willst du Nachforschungen anstreben? Wie aufregend. Er ist in seiner Werkstatt gestorben, südlich vom Marktplatz, gleich neben dem Tor nach Ferneck. Dort wurde auch die arme Bardin angegriffen … Die ganze Stadt spricht davon. Aber der Schnitzer … Eustachius der Leichensammler brachte uns seinen Kadaver. Mit dem solltet ihr reden, ich habe ihn gerade um die Ecke noch gesehen, bei … Oh, meinen Gruß, Hochwürden.“.

Das war Nathaniel, den Geralt durchaus kommen hörte. Der Pope, mit der gewohnt festen Stimme eines Mannes dem niemals widersprochen wird, verlangte von seinem Untergebenen: „Wer sind diese Leute? Ich dachte, ich hätte ausdrücklich klargemacht, hier wird niemand eingelassen. Unter keinen Umständen.“. Dabei musterte er vor allen unseren Hexer herablassend und streng. Geralt hielt diesen Blicken cool stand, beobachtete seinerseits weiter gründlich die Reaktion des Leichenbeschauers. Der legte zwar weiterhin wohlüberlegte Pausen ein, veränderte aber auch bei dieser Rüge nicht um eine Nuance seinen Tonfall. Da gab es keine Schweißperle, oder auch nur das geringste unsichere Zittern in Gestik und Stimme, als Hubert bekannte: „In der Tat, aber … Es sind Freunde des Verstorbenen. Gekommen, um die Leiche zu holen.“. „Ausgeschlossen. Bring sie sofort raus.“, bellte Hochwürden, ohne diese 'Freunde' gründlich zu begutachten. „Tja, die üblichen Nachteile hemmungsloser Arroganz.“, freute sich unser Witcher, denn eigentlich … hätte man die Hexerausrüstung, die Anstecknadel des Mediziners … Der Leichenbeschauer reagierte angemessen: „Wie Hochwürden wünschen. Meine Herren, kommt bitte mit. Ihr werdet … einen anderen Weg nehmen.“. Joachim und Geralt folgten dem Leichenbeschauer ohne weitere Kommentare. Unser Witcher konnte sich gut vorstellen, Hubert schaltet und waltet mit diesem blasierten Snob nach Belieben.

Außer Sicht und Hörweite wollte Joachim von seinem Kollegen wissen: „Warum hast du uns gedeckt?“. Längst war Geralt klar geworden – die mögen sich gar nicht. So konterte der Leichenbeschauer auch prompt, mit der bereits gewohnt wohlgesetzten Rhetorik: „Ich habe nur meinen eigenen Hintern gedeckt. Wenn Hochwürden Nathaniel erführe, jemand spaziert in die Leichenhalle und öffnet ohne Erlaubnis Leichen, bekäme ich große Schwierigkeiten. Aber daran hast du nicht gedacht, Joachim, was? So wie immer. Eure Mutwilligkeit gefällt mir zwar nicht, aber auch ich will den Mörder hängen sehen. Wenn ich also etwas Neues erfahre … lasse ich es euch wissen.“. Hubert setzte also seine diskreditierende Politik gegen seinen Kollegen deutlich fort. Das Angebot am Ende … Für Geralt war klar, Joachim von Gratz ist ein ehrlicher Kerl, unbedingt an seiner Patientin und an der Aufklärung der Morde interessiert. Alles was er von ihm bisher gehört und gesehen hat – die Präventivmaßnahmen – das passt zu einem fortschrittlichen und sehr ambitionierten Arzt. So ging er auf die politischen Schliche von Hubert nicht ein und knurrte nur: „Hm. Danke vorerst.“. Doch als der 'Schleicher' weg war, wollte er von seinem neuen Kumpel schon einiges wissen, zunächst: „Dieser Nathaniel … Wer ist das?“. „Ein Halunke. Ein Bastard. Wie jeder, der die Robe des Ewigen Feuers trägt.“, knurrte Joachim. „Die meisten sind bereits Halunken, bevor sie die Robe anziehen.“, hakte Geralt nach. „Das trifft auch auf Nathaniel zu. Bevor er die Robe trug, war er Folterer. Vor allem auf Frauen spezialisiert. Später hat Hierarch Hemmelfart in beauftragt, die Leichenhalle zu leiten. Er spricht sich mit der Tempelwache ab, nimmt Einäscherungen vor, hält Begräbnismessen im Tempel auf der Insel und so weiter.“. Nicht jeder kann aus politischen Überlegungen öffentlich hingerichtet … manche müssen auch heimlich verschwinden. So war auch klar, die nach Allmacht strebenden Sektierer, müssen einen sehr vertrauenswürdigen Mann auf diesem Posten zur Vertuschung …

Dies ist eigentlich offensichtlich. Aber: „Warum sagtest du mir nicht, du kennst den Leichenbeschauer?“. „Ich kenne ihn … darum gehe ich ihm aus dem Weg. Genug davon.“, wiegelte Joachim grimmig ab. Damit ließ sich unser gründlicher Ermittler natürlich nicht abspeisen: „Ich entscheide selbst, wann ich genug von einem Thema gehört habe. Was verbindet euch?“. Da musste Joachim wohl oder übel: „Alte Geschichte. Wenn du darauf bestehst: Die Studentenproteste 1242 – hast du von denen gehört? Ich führte sie an. Hubert verriet mich an die Behörden. Ich landete im Knast. Jetzt weißt du es.“. Etwas in dieser Art, hatte sich Geralt gedacht. So verabschiedete er sich auch von Joachim vorerst: „Es gibt zahlreiche Spuren. Die Werkstatt des Schnitzers, den Leichensammler, der diese gebracht hat, die Gasse, in der Priscilla gefunden wurde … Ich habe einiges zu tun.“. „Ich auch … im Hospital. Aber ich drücke dir die Daumen.“, erklärte auch der Chefarzt. Man wird sich im Auge behalten und weiter gegenseitig unterstützen, wenn möglich.

Geralt ging zunächst zur Behausung des Schnitzers, es war nicht weit. Das massive Hoftor war fest verschlossen, von drinnen hörte man das Knurren und Bellen von großen Hunden. Geralt trommelte mit der Faust gegen die Planken. Da ertönte eine verärgerte Stimme: „Verschwinde, oder ich lasse die Hunde los! Fetzer! Striege! Bei Fuß!“. „Nicht doch. Die armen Tiere ...“, dachte sich unser Hexer und lenkte ein: „Schon gut. Ich bin wegen Fabian Meyer hier. Ich suche seinen Mörder.“. Da ging das Tor auf und ein kahlköpfiger Zwerg grüßte: „Äh … Das ist dann wohl was anderes. Sitz! Dumme Tölen. Platz! Komm rein. Langsam, sonst beißen sie.“. „Sind doch niedlich, die Burschen.“, wiegelte Geralt freundlich ab. Er fragte sich, ob er da die Frau vom Holzschnitzer vor sich hat. Vielleicht kann man weibliche Zwerge ja an einem kahlen Kopf von den männlichen unterscheiden? Viele Zwerge mit Glatze hatte er noch nicht gesehen. Die meisten, die er kannte, waren Krieger, und seines Wissens Männer, mit typisch lang ungestutztem Haar und Bärten. Hätte sich doch Joachim diesen Kommentar verkniffen. Aber darum ging es ja nicht. Der Zwerg mit dem modisch gestutzten Bart, oder war es deshalb doch eher eine Zwergin, antwortete, schon etwas weiblich getönt: „Spinnst du? Sogar mir machen sie Angst. Aber besser bellende Hunde als BÖSE MÄNNER auf der Schwelle.“. „Dachtest du da an jemand Bestimmtes?“, hakte Geralt sich zur nötigen Sachlichkeit zwingend nach. „Natürlich! An das Schwein, was Fabian getötet hat. Als sie seine Leiche abgeholt hatten, lief ich sofort zu einem Freund, der solche Kampfhunde züchtet. Hab diese beiden Kollegen gekauft … Musste ganz schön was springen lassen … Wenigstens schlafe ich jetzt ruhig.“, antwortete der – Mitbewohner - des Ermordeten. Geralt musste es nun genau wissen und fragte direkt: „Und du bist?“. „Der Bruder des Verblichenen. Gus heiße ich. Wir hatten zusammen eine Werkstatt: Meyer & Meyer. Jetzt mache ich sie dicht. Sobald ich einen Käufer für die Hütte finde, gehe ich zurück nach Mahakam, zu meiner Familie – oder was von ihr noch übrig ist.“, offenbarte sich der an modernsten Haarmoden interessierte Zwerg.

„Das wäre also geklärt. Nun zu den tatsächlich relevanten Fragen ...“, dachte sich unser Ermittler und stellte die ersten: „Hatte dein Bruder Feinde? Mochte ihn jemand nicht? Wurde er vielleicht bedroht?“. „Nein … Eigentlich war es Fabian, der so einem Mädel einmal gedroht hat. Er war ein guter Zwerg und ein guter Handwerker … aber auch ein unverbesserlicher Hurenbock. Wann immer er etwas Geld hatte – ich wollte davon Werkzeug und gutes Holz kaufen, aber er schnappte sich stets die Börse und ging damit zu den Huren. Auf eine hatte er es besonders abgesehen. Er setzte ihr zu, rief 'Es ist alles deine Schuld, du Menschenschlampe' und warf ihr noch weitere Obszönitäten an den Kopf. Ich weiß nicht, was er wollte. Vielleicht war er in die verknallt?“. Verwunderlich – wo diese Menschenschlampe doch sicher keinen Bart hat, dazu noch Titten u.s.w.. Aber es soll ja vorkommen, da paart sich ein Wolf mit einem Mops. Die Geschmäcker und Liebesnöte der Humanoiden sind fast unergründlich. Im Gegensatz zu Gus war unserem Ermittler natürlich klar, warum Fabian stinke sauer auf diese Hure war – die Syphilis. Vielleicht musste dies der Bruder nicht unbedingt wissen, so zum ehrbaren Gedenken. Sicher sollte man der Hure aber nahelegen, sich sofort ein anderes Gewerbe und so. So fragte unser verantwortungsbewusste Ermittler natürlich: „Weißt du, wo ich sie finde? Diese … Schlampe?“. Die heikle Sache hatte sich aber bereits von selbst geregelt: „Auf dem Stadtfriedhof. Sie ist vor ein paar Tagen verstorben. Einfach so im Schlaf. Eine Fieber, wie ihr Zuhälter sagt.“.

°276
So galt es zu klären: „Was weißt du über den Mord? Erzähle mir alles, ausführlich und in der richtigen Reihenfolge.“. „Es war so: ...“, begann Gus: „Ich kam aus Oxenfurt zurück und sah eine Rauchwolke über der Stadt. Ich dachte schon 'Mist, ich verpasse eine Hexenverbrennung' aber der Rauch kam nicht vom Platz des Hierarchen … sondern von hier. Siehst du die Rußflecken? Da sind unsere Skulpturen verbrannt. Die Leute versammelten sich um das Feuer … und fanden Fabian, hier daneben. Als ich eintraf, hatten sie ihn schon auf einen Wagen geladen.“. Das war nicht unbedingt viel, so forschte unser Ermittler hartnäckig: „Hast du mit den Nachbarn gesprochen? Haben sie etwas Verdächtiges gesehen? Oder gehört?“. „Angeblich nicht. Selbst wenn … sie hätten ja doch nicht geholfen. Novigrader machen selbst um blutende Waisenkinder einen Bogen, damit die Schnabelschuhe sauber bleiben. Was schert sie da ein toter Zwerg?“, wiegelte Gus missmutig ab. „Gerade deshalb – sollten sich Anderlinge nicht an Verbrennungen, Folter und Verfolgung von Minderheiten ergötzen.“, dachte unser Witcher, schon etwas enttäuscht, über die gerade gehörte … Dummheit ist wohl zu schmeichelhaft. Dieser Gus war schon ein komischer Vogel, so wie fast alle Mitläufer mit einem starken Hang zu rassistischer Unterdrückung behaftet. Man will ja selbst nicht die kleinste Made in der Menge … zumindest scheinbar.

In der Mitte vom Hof stand eine Pyramide aus verkohlten Stämmen. Bei genauem Hinsehen fand man die Reste von hölzernen Statuen dazwischen, einige davon mannshoch. Es war noch gut erkennbar, diese Skulpturen stellten junge Frauen mit üppigen Brüsten dar. Es könnte sich um Melitele handeln, in ihren Phasen als junges geschlechtsreifes Mädchen - begehrenswert, auch als gestanden erwachsene Frau und Mutter – fruchtbar. Natürlich auch um Göttinnen anderer oder noch älterer Kulte, welche die Liebe und Fruchtbarkeit symbolisieren. Diese Tugenden, vor allem im Verbund mit Lebensfreude, stehen im Widerspruch zu den Dogmen des Ewigen Feuers. Bei dieser Sekte geht es vor allem um Verzicht, Einschränkung … Zerstörung und Vernichtung von allem, was dem auch nur ansatzweise widerspricht. Die religiösen Fanatiker des Feuerkults wollen diese Welt von Lebensfreude, Sex … und somit von der Fruchtbarkeit und Arterhaltung – reinigen. Weil diese Dogmen so abartig und lebensfeindlich sind, hat man sogar vor hölzernen Abbildern von sexuell anziehenden Frauen mit einer stark lebensfrohen Botschaft Angst. Wie armselig …

Vor dem Scheiterhaufen der hölzernen Göttinnen der Lust, Lebensfreude und Erneuerung befand sich eine große Blutlache auf dem Boden. Als Geralt diese näher untersuchte, kommentierte Gus: „Dort haben sie Fabian gefunden.“. Schleifspuren führten von dieser Lache, vom Scheiterhaufen, zur Treppe in die Werkstatt. Vermutlich hatte man die Skulpturen zu ihrer Einäscherung … Vielleicht auch andere Beweise? „Darf ich mich in der Werkstatt umsehen?“, fragte Geralt, um dies herauszufinden. „Ich hab nicht einmal reingeguckt, seit … sie Fabian gefunden haben. Ich lass dich rein, wenn du willst.“, erklärte Gus, schon etwas ängstlich. Das war natürlich gut, denn dadurch wurden noch keine möglichen Spuren verwischt. Eines war Geralt bereits klar, die Sektierer des Ewigen Feuers, nur um solche konnte es sich bei diesen hasserfüllten Bilderstürmern handeln, waren offensichtlich in großer Eile vorgegangen. Denn im Hof, neben dem Eingang zur Werkstatt, stand noch eine dieser hölzernen Frauen mit den etwas aufreizend spitzen schweren Titten. Die Hände der hölzernen Schönheit waren einladend offen, etwas von ihren üppigen Hüften abgespreizt. Dieser Anblick, auf normale Männer und sicher auch Frauen sehr sympathisch und anziehend wirkend, muss die Fanatiker provoziert, gehörig verärgert haben, in ihrer verlogen scheinheiligen Ideologie. Eine solch deutliche Erinnerung, an die oft mühsam unterdrückten eigenen 'Sünden' … Sie hätten diese Skulptur aus Hass, eigentlich Selbsthass, vernichtet. Man darf daraus schlussfolgern, die Fanatiker hatten offenbar keinen von ihrem Hierarchen abgesegneten Auftrag für diese Freveltaten. Bestimmt handelte es sich bei dem oder den Tätern um besonders streng religiöse Eiferer, deren fanatischer Hass sogar den der Popen, Tempelwächter und Hexenjäger übertrifft. Komplett gefährliche Irre also – wie bereits in der Leichenhalle festgestellt. Sogar noch gefährlicher und irrer wie ein normaler Hexenjäger. Wer hätte befürchtet – das geht?

In der Werkstat befanden sich weitere Blutflecken auf den Dielen. Nicht sehr groß, sodass sie wohl von keiner lebensgefährlichen Verletzung stammten. Joachim hatte ja bereits herausgefunden, der sadistische Mörder sorgt mit medizinischen Kenntnissen das seine Opfer nicht so schnell unter seiner grausamen Folter sterben dürfen. Auf der Werkbank befanden sich Blutflecke die teilweise weggewischt wurden. Und da lagen auch – die Augäpfel des armen Fabian, bereits im Prozess der Verwesung. Ein paar Möbel wurden umgeworfen, was auf einen kurzen aber heftigen Kampf schließen lässt. Dies bestätigt die Verletzungen an den Füßen von Fabian. Wie bereits bei der Autopsie vermutet, er hatte sich gewehrt, kräftig zugetreten. Neben und über der Werkbank auch – eine deutliche 'Duftwolke' – Formaldehyd. So bestätigten sich sämtliche Fakten der forensischen Bestandsaufnahme in der Leichenhalle mit denen am Tatort. In seiner Werkstatt hat der irre Mörder den Holzschnitzer gefoltert und übel zugerichtet, bevor er ihn in den Hof schleifte, um ihn am Scheiterhaufen seiner 'verwerflichen' Kunstwerke endgültig zu 'richten'. Vermutlich wurde es dabei sehr laut, sodass er mit dem Verbrennen der verhassten Statuen nicht ganz fertig wurde und floh. Fabian hingegen, wurde sicher absichtlich in diesem Zustand neben dem Scheiterhaufen platziert. Sein verstümmelter Leichnam, neben den 'vernichteten' Göttinnen seiner 'falschen' Begierde, sollte offenbar als Botschaft und Warnung dienen. Der Mörder geht also, innerhalb seines Irrsinns versteht sich, ganz kalt und rationell überlegt zu Werke. Ein extrem gefährliches Monstrum! Es wird sicher sehr schwer, den zu fassen. Bisher hatte Geralt, hier am Tatort, nur Bestätigungen gefunden, keine weiterführenden Hinweise ...

Geralt ging in den Hof zurück, strengte seine Sinne an, vielleicht hatte er etwas übersehen. In der äußersten Ecke befanden sich noch drei weitere Statuen von Frauen, eine davon umgeworfen. Geralt sah genauer hin und fand auf dem Boden davor, einen Zettel. Der Wisch enthielt eine Art Pamphlet, eigentlich eine massive Drohung, vom Verfasser als „Predigt eines besorgten Bürgers“ bezeichnet. Unser Ermittler musste folgende größenwahnsinnige 'Ratschläge' lesen: „Vergesst nicht, liebe Leute, dass das Feuer sowohl ein Segen als auch ein Fluch ist. Feuer kann mit seinen Flammen wärmen, Feuer kann unsere Nahrung zubereiten, Feuer kann die Schrecken der Nacht vertreiben. Doch Feuer kann auch versengen, verbrennen, verzehren. Deshalb müssen wir mit dem Ewigen Feuer und seinen Geboten in Harmonie leben. Wer seine Lektion nicht befolgt, wer sie ignoriert, wer sich darüber lustig macht, soll sein Leben in seinen Flammen verlieren. Nehmt euch meinen Rat zu Herzen, gute Menschen, oder ihr werdet mit den Konsequenzen eurer Taten leben müssen.“. „Mit den Konsequenzen leben … dürfen sie dann wohl eher nicht, weil ein völlig verblendeter Irrer sich als 'göttlicher' Richter aufspielt. Wie hoffnungslos vermessen … Bekehrung durch Mord und Folter. Noch primitiver geht es kaum.“, dachte sich Geralt angewidert.

Es war schon klar, dieses Pamphlet konnte nur von dem egozentrischen Irren stammen. Diese selbstgerechte und leicht süffisante Art der dennoch unerbittlich krassen Drohung … An irgendetwas, an irgendjemanden erinnerte das unseren Hexer. Er wusste allerdings nicht an wen. Es gab ja so viele perverse Kuttenträger in den Reihen des Ewigen Feuers mit sadistischem Hintergrund. Zum Beispiel Hochwürden Nathaniel – ehemals leidenschaftlicher Frauenfolterer. Der Überwacht seine Leichenhalle mit Argusaugen. Mit Sicherheit hat der einiges zu verbergen. Allerdings passt dies nicht unbedingt zwingend zu den deutlichen Botschaften, die diese Opfer offensichtlich präsentieren. Viel hat dieser Nathaniel ja nicht gesagt. Dafür aber sein schleimiger und redegewandter Leichenbeschauer um so mehr. Man muss diese beiden Halunken sicher im Auge behalten. Hier gab es für unseren Ermittler nichts mehr zu entdecken. So brach er auf, zum nächsten Tatort, der Gasse wo man die arme Priscilla überfallen und übel zugerichtet hat.

°277
Diese befand sich nicht weit von der Werkstatt des ermordeten Holzschnitzers, noch dichter bei der der Brücke zum Tretogortor. Eine Hure stand vor dem Zugang der durch hohe Palisaden von der Hauptstraße uneinsichtigen Gasse. Geralt dachte sich nichts bei ihrem Anblick, dafür aber: „Warum ging Priscilla durch diesen abgelegenen Schlupfwinkel? Diese Künstler … manchmal sind sie doch schon ein bissl sehr naiv, in ihren poetischen Traumwelten verhaftet.“. Natürlich wird er ihr keinen ernsten Vorwurf deswegen machen. Die schöngeistige Bardin trägt mit Sicherheit keine Schuld, wenn verblendete Fanatiker ihren Frust mit Mord und Folter austoben. Das erste was Geralt wahrnahm, war eine eine stechende 'Duftwolke' – Formaldehyd. Diese waberte in Richtung der äußersten Ecke von dieser Gasse. Dorthin lenkte er seine Schritte und Aufmerksamkeit. Doch kam er vorerst nicht dazu, diesen Tatort zu untersuchen, denn hinter ihm grölten ein paar Kerle: „Da ist das Schwein! Tötet den Bastard! Auf ihn! Alle gemeinsam!“.

Blitzschnell drehte sich unser Hexer um 180°, beide Fäuste in Doppeldeckung, zum Kampf bereit. Es handelte sich um vier handfeste Burschen, normale Städter der eher volkstümlich ärmeren Schicht, aufgeheizt und angespornt von der Hure, welche er vor dem Zugang in diese abgelegene Schlippe bemerkte. Die machten ziemlich viel Lärm, kündeten vollmundig an, sie wollen ihn umstellen, um ihn dann gemeinsam und gleichzeitig zusammenzutreten. Vielleicht wollten sie sich mit diesen blöden Ankündigungen und dem affektierten Gelächter auch nur selbst Mut machen? Wie dem auch sei. Professionelle Assassine, oder auch nur routinierte Auftragsschläger waren es sicher nicht. Geralt ging natürlich nicht mitten zwischen diese gewaltbereiten Halunken, damit sie von allen Seiten auf ihn eintreten können. Vielmehr lockte er sie an eine Stelle, wo eine seiner Flanken von einem Pferdewagen und sein Rücken von den Pferdeboxen abgedeckt wurde. Der mutigste der Schläger wagte sich zu weit vor, bekam seine Packung und ging zu Boden. Der nächste bekam einen Tritt in die Magengrube, sein Partner neben ihm ein paar trockene Haken auf die Rippen. Als ein Dritter zuschlagen wollte, brachte sich unser erfahrener Kämpe mit einer Hechtrolle aus dessen Reichweite. Zwei der Burschen waren angeschlagen, einer lag platt. Unser Hexer überhörte weiter jegliche Provokationen, ging vor und zurück, stets darauf bedacht seinen Rücken freizuhalten. Die angeschlagenen 'Stadtschläger' besaßen diese Geduld nicht und hatten wohl euch keinen wirklich guten Plan, dafür kochte die Wut über die bereits empfangen Prügel in ihnen hoch. Der mit der größten Wut wagte sich zu weit vor – da lag er im Staub. So auch der nächste seiner Kumpane. Den letzten prügelte Geralt vor sich her, genau in die Ecke mit der Formaldehydwolke. Dort schickte er ihn mit einem knackigen Uppercut in das Land der Träume.

„Das wars dann wohl ...“, brummte unser Witcher, klopfte sich ein paar Bluttropfen von den Handschuhen, um sich nun, hoffentlich ungestört, seiner Untersuchung zu widmen. Da hatte er nicht mit der todesmutigen 'Bordsteinschwalbe' gerechnet. Natürlich hatte Geralt bemerkt, die hat diese Schläger aufgewiegelt. Doch wollte er sie einfach ignorieren. Denn mit den Morden, dem Überfall auf Priscilla … hatte die wohl kaum zu tun. Das muss man nicht untersuchen, so abwegig … Doch die mutige Hure rückte ihm ganz dicht auf den Pelz und keifte feindselig: „Du meinst wohl, du kannst mich auch aufschlitzen, was? Schieb's dir in den Arsch, du Irrer! Huren können auch kämpfen! Ha!“. „Dumm … aber eine gewisse Art von sympathischen Schneid.“, dachte sich Geralt und beeilte sich zu beschwichtigen, bevor sie sich noch verletzen kann und so: „Ganz ruhig. Ich tue dir nichts. Was machst du hier?“. Weiterhin stark aufgebracht, doch nicht mehr ganz so feindselig, schimpfte die taffe Hure weiter: „Rache üben! Was glotzt du denn? Weißt du nicht, Mörder kehren immer an den Schauplatz ihrer Verbrechen zurück? Meine Brüder und ich werden ihm einen gebührenden Empfang bereiten. Für Priscilla! Fast hätte er sie erledigt, dieser Hurensohn!“.

Geralt bezweifelte stark, dieser irre Mörder wird sich sentimental an früheren Schauplätzen seiner Untaten aufgeilen. Vielmehr wird er längst auf der Jagd nach weiteren Opfern sein. Sein ebenso schwammiges wie fanatisches Pamphlet räumt ihm dafür einen wahnsinnig großen Spielraum ein. Man kann weder Priscilla noch den Holzschnitzer als erklärten Gegner des Kults vom Ewigen Feuers einstufen. Dennoch waren beide für den Irren bereits 'ketzerisch' genug. Nach dessen Fasson war also mindestens die halbe Stadt in Gefahr. Ein harmloser Witz, eine unbedachte Geste, ein ironisches Lied, der Besitz eines kritischen Buchs … der Irre braucht sicher nur zufällig davon erfahren. Doch wurde unserem Ermittler nun klar, Priscilla kannte diese forsche Dame der Liebesdienste gut, fühlte sich deshalb in dieser angelegenen Ecke sicher. Weiter war anzunehmen, der Irre ist nicht besonders auffällig, auch nicht in dieser Gegend. Nathaniel in seiner feuerroten Robe … er hätte sich wohl verkleiden müssen. Geralt schloss den Frauenfolterer deshalb natürlich nicht aus dem Kreis seiner Verdächtigen aus. Immerhin kann der, durch sein Amt, leicht von der Ketzerei verdächtigten Bürgern erfahren. Es galt weiter zu forschen, beweiskräftige Fakten zu sammeln. So fragte er die forsche Freundin von Priscilla mit beruhigender Stimme: „Ich weiß. Ich bin hier, um nach Spuren zu suchen. Ich möchte mit allen reden, die etwas wissen könnten. Denn Priscilla ist nicht das einzige Opfer. Das ist dir schon klar?“.

Da atmete die kämpferische Dirne erleichtert durch, um resigniert zu bestätigen: „Dies hat ja nicht erst gestern begonnen, es sind schon andere gestorben. Aber wer gibt was drauf? Menschlicher Abfall. So nennen uns die Wachen.“. „Ich nicht. Erinnerst du dich an deren Namen?“, hakte Geralt betont freundlich und ruhig nach. „Sie hatten keine richtigen Namen. 'Glatze', 'Locke', 'Backe' … So wurden sie genannt. Keine Freunde, keine Familie. Ihre Leichen wurden schon lange verbrannt.“, erklärte die Hure. „Dann hat unser fanatischer Mörder also 'klein' angefangen. Vorsichtig … vielleicht um zu üben, möchte man meinen. Nun ist er auf den 'Geschmack' gekommen und wird immer dreister. Die Unfähigkeit und das Desinteresse der Stadtwache müssen ihn enorm ermutigen.“, dachte sich Geralt. Mehr war hier wohl nicht herauszubekommen. Doch eines interessierte unseren Hexer und Freund von Priscilla noch: „Du und Priscilla seid Freunde?“. „Freunde, nein. Aber sie hat nicht nur eine dumme Hure in mir gesehen. Das war schon was. Ich wollte die Hurerei aufgeben und etwas Anständiges machen. Aber niemand wollte mich einstellen, als Wäscherin nicht, als Dienerin nicht, als Köchin nicht. Nur Priscilla … Sie bot mir an, mich in einem ihrer Stücke zu besetzen, weißt du. Viele Schauspieler haben Angst vor ihren Scherzen über das Ewige Feuer. Lispel-Lotte auf der Bühne – kannst du dir das vorstellen? Na, der Traum ist jetzt wohl geplatzt. Ich stehe wieder an der Straße. Es könnte schlimmer kommen. So sage ich mir jedenfalls.“, gab die taffe Straßendirne kund.

Ein taffes Mädel, mit einem sicher sehr ungünstigen Start in diese raue Welt. Geralt mochte sie, bewunderte auch den Mut von Priscilla, sie trotz ihres deutlichen Sprachfehlers auf die Bühne stellen zu wollen. In dieser Sache, was ihren erfrischenden Schneid betrifft, passen die beiden Mädels schon zusammen. Doch nun galt es sich weiter um den Irren zu kümmern, möglichst schnell. So verabschiedete er sich von Lotte: „Ich muss mich noch etwas umsehen. Wäre nett, wenn ihr mich nicht mehr dabei stört. Und pass auf dich auf.“. „Versteht sich. Wir halten uns zurück. Aber … Wenn du hier noch etwas findest, sag es uns bitte.“, verlangte die taffe Hure, die eigentlich … viel lieber Schauspielerin wäre. Den stechenden Geruch nach Formaldehyd hatte unser Ermittler sogar während des Faustkampfs deutlich in der Nase. Eigentlich verfliegt dieser recht schnell. Da muss also schon eine große Menge von diesem ätzenden Stoff im Spiel gewesen sein. Kommt da jeder ran? Eigentlich nicht! Denn wie sagte Joachim von Gratz, das Zeug ist selbst für spezialisierte Mediziner eine Neuheit. Zur Konservierung dient es in stark verdünnter Form. Das führt wieder in Richtung Konservierung von Leichen, zur Leichenhalle … Nathaniel. Was ist mit dessen Leichenbeschauer, diesem redegewandten Schleicher? Der ist studierter Mediziner, hätte die nötigen Kenntnisse, auch um derart gezielt seine Opfer foltern und verstümmeln zu können. Mediziner sind allerdings sehr selten religiös fanatisch. Das passt nicht zu ihren naturwissenschaftlichen Ansätzen. Allerdings, dieser Leichenbeschauer Hubert Rejk, ist ein unbedingter Freund von sehr strenger Ordnung. Eine starre Hackordnung ist dem so wichtig, der hat sogar die eigenen Kollegen wegen einer Studentenrevolte denunziert und in den Kerker gebracht. Das wiederum rückt Hubert ganz nah an die religiöse Sekte. Nicht jeder Hierarch glaubt zwangsläufig an seinen Gott. Viele höhere Popen sehen nur die zwangsläufige Ordnung, die hinter ihrer strengen Religion steht. Ohne die, so glauben sie, oder wollen es zumindest, gäbe es keine festgefügte Ordnung mit ihrer gottgleichen Leitung in der Gesellschaft. Das grenzt natürlich stark an Größenwahn … Und ja, der irre Mörder ist auch größenwahnsinnig. Sowohl Nathaniel, immer mehr auch Hubert Rejk, rücken unter diesen Aspekten dichter in den Kreis möglicher Verdächtiger. Natürlich kann auch ein versierter Tierpräparator professionell Herzen entnehmen, Augäpfel entfernen … von Formaldehyd als Konservierungsstoff wissen. Fakt ist bisher: Der Irre ist klug, hat anatomische und medizinische Kenntnisse, hat offenbar einen starken Hass auf Freidenker außerhalb der göttlichen Ordnung, ist sicher auch überdurchschnittlich geschickt und kräftig. Der Holzschnitzer war ein kräftiger Kerl und er hatte keine wirkliche Chance, sich gegen den Irren ernsthaft zu wehren. Geralt fand noch ein Kohlebecken, einen großen Fußabdruck von einem Mann und ja, ein weiteres Pamphlet vom 'Besorgten Bürger'. Das passte ...

°278
… alles so wunderbar zusammen, man durfte und musste unbedingt vom gleichen Täter ausgehen. Um vielleicht noch weitere, für ihn bisher verborgene Hinweise zu sammeln, strebte Geralt in Richtung Leichenhalle zurück, wo er mit Eustachius dem Leichensammler reden wollte. Doch kam es nicht gleich dazu, denn bereits auf dem Weg wurde er von einem Mann der Tempelwache angehalten: „Hey, Hexer! Der Leichenbeschauer will dich sehen. Noch ein Opfer. Ich soll dir ausrichten, die Vordertür ist ab jetzt für dich offen. Du sollst kommen, so schnell du kannst.“. Das war dann wohl wichtiger, wie ein Gespräch mit einem versoffenen Leichensammler. Geralt ging umgehend mit dem Wächter mit. Hubert Rejk begrüßte ihn gewohnt … schmierig wäre wohl treffender wie freundlich, für dessen wohlüberlegten Worte im leise gefälligen Tonfall: „Geralt, richtig? Gut, dass du hier bist. Ich habe mit der Autopsie auf dich gewartet.“. Geralt kam sofort in den Sinn, dieser Rejk bestimmt in Wirklichkeit ganz allein, wer Zugang zu 'seiner' Leichenhalle hat und wer nicht. Dieses Theater vorher, es könne für ihn angeblich Ärger durch Hochwürden geben … Hauptsächlich wollte er damit wohl seinen alten 'Widersacher' Joachim von Gratz diskreditieren und loswerden. Doch wie heißt es so schön: „Einem geschenkten Gaul, dem schaut man nicht ins Maul.“.

So nahm unser Ermittler das Angebot von diesem Verdächtigen an, wenn er sich mit einem ironischen Grinsen auch den Kommentar: „Nett von dir. Von meinem letzten Besuch warst du ja nicht so begeistert.“, nicht verkneifen konnte. Wie erwartet, hatte Hubert Rejk eine passende und wohlüberlegte Ansprache für diese Einwände parat: „Weil du unangemeldet und in unpassender Gesellschaft aufgetaucht bist. Außerdem war Hochwürden Nathaniel im Anmarsch. Unser Geistlicher hat die Stadt inzwischen in einer wichtigen Angelegenheit verlassen. Ich weiß nun, wer du bist und was dich antreibt … Ich helfe dir sehr gerne bei deinen Nachforschungen.“. Viel lieber hätte Geralt diese Autopsie wieder mit Joachim durchgeführt, nicht nur aus fachlicher Sicht, auch weil der sich unbedingt an der schnellen Aufklärung und Überführung des Mörders zeigte. Man muss mitnehmen, was man bekommt, so fragte Geralt sachlich: „Wer ist diesmal das Opfer?“. „Joris Aquinus. Ein Theologiedozent an der Universität von Oxenfurt. Wurde heute früh in seinem Haus gefunden … aus seinen Büchern hat man ein Katafalk gebaut.“, gab Hubert Rejk an. „Ein ehemaliger Kollege von Hubert und Joachim also.“, dachte sich unser Witcher und auch, das er dazu sehr gerne Joachim befragt hätte. Auf eine Agitation von Hubert dem Denunzianten war er dagegen weniger scharf. Doch galt es natürlich zu wissen: „Waren besondere Titel dabei?“. „Offenbar handeln alle Bände vom Ewigen Feuer. Es sind Traktate, die sich kritisch mit den Glaubensdoktrinen befassen.“, erklärte der Leichenbeschauer recht leise. Das war ja anzunehmen. Wieder huschte ein ironisches Lächeln über die ernste Mine unseres Ermittlers. Doch dann sah er Hubert Rejk in die Augen, musterte ihn scharf, um zu provozieren: „Ja … Eine Todsünde in Novigrad.“.

Doch der Leichenbeschauer ließ sich zu keiner auffälligen Reaktion hinreißen und begann schließlich recht sachlich und mit gewohnt wohlgesetzten Worten mit der Autopsie: „Die Wunden passen zum Vorgehen des Täters. Das Opfer wurde gefesselt und gezwungen, Formaldehyd zu trinken. Dann entfernte der Mörder die Augen, platzierte glühende Kohlen in den Augenhöhlen, öffnete den Brustkorb und … Was ist denn? Pergament? Aus Menschenhaut ...“. Bei seinen letzten Worten zog der Leichenbeschauer einen Fetzen aus dem Loch im Thorax des Toten, den der Mörder an Stelle des dort hingehörigen Herzen hinterlassen hatte. „Wieso weiß der sofort, der Fetzen ist aus Menschenhaut?“, schoss es Geralt durch den Sinn, doch fragte er laut: „Ist sicher eine Nachricht des Mörders?“. „Patricia Vegelbud. Ich bin nicht sicher, was das heißt, aber Patricia könnte in Gefahr sein. In tödlicher Gefahr.“, las Hubert Rejk vor und schlussfolgerte gleichzeitig. Damit hatte er natürlich recht. Geralt hätte dem verdächtigen Leichenbeschauer sicher noch gerne provokativ auf den Zahn gefühlt, doch unter diesen Umständen … Brummte er nur: „Ich muss sie finden. Sofort.“, und verließ umgehend die Leichenhalle.

Konnte das wirklich eine Ankündigung für das nächste Opfer sein? Ist der Irre bereits so überheblich, das er mit seinen möglichen Verfolgern spielen will? Will er unbewusst gestoppt und gefasst werden? Geralt tendierte in seinen Überlegungen zu grenzenloser Überheblichkeit des Größenwahnsinnigen und maßlos perverser Lust an noch makaberen 'Spielchen' des Sadisten. Erstaunlich zeigt sich nun auch der 'Wirkungskreis' des irren Mörders. Erst die Opfer innerhalb der Stadtmauern, dann Oxenfurt, nun voraussichtlich der Landsitz der Vegelbuds. Der Irre ist also recht agil und schnell. Und ja, er kann sich überall unauffällig sehen lassen, in jeglichen Kreisen. Geralt war ja mit Triss auf dem Ball der Vegelbuds. So wusste er, die haben eine größere Wachmannschaft wie die Stadtwache, alle schwer und gut bewaffnet. In diesen Landsitz kommt man nicht einfach rein. Es sei denn, man gehört zu diesen Kreisen und ist ein gerngesehener und gewohnter Besucher. Oder man hat eine ausdrückliche Einladung. Triss und er benötigten eine solche. Und, obwohl Geralt den Sohn von Patricia beschützen sollte, auf dessen Flucht vor den Hexenjäger, bestand man auf die Abgabe seiner Waffen. Ein sehr gut bewachtes Anwesen also, mit sehr hohen und strengen Sicherheitskriterien. Geralt beschloss Patricia Vegelbud umgehend zu warnen. Die Flucht von Albert war auch durch sein Zutun geglückt. So wird man ihn sicher vorlassen, hoffentlich auch auf seine Warnung hören. Mit Hilfe der Wachsoldaten der Vegelbuds sollte sich eine günstige Möglichkeit zum Fassen und Unschädlichmachen des irren Mörders bieten, so hoffte unser Ermittler.

Unweit der Leichenhalle gab es ein Gemetzel von Banditen gegen Bürger, mitten in der Stadt. Eustachius der Leichensammler war mit seinem Karren bereits vor Ort, um das halbe Dutzend grausam niedergemetzelter Opfer einzusammeln. So sieht es in einer Stadt wohl zwangsläufig aus, wenn der komplette Polizeiapparat permanent auf der Jagd nach Magiern und anderen Ketzern ist, statt sich um echte Verbrecher zu kümmern. Die werden den irren Mörder also nie fassen, vielleicht sich sogar überhaupt nicht mit diesem Fall befassen. Doch unser Ermittler ergriff sofort die Gelegenheit, um den Leichensammler zu befragen: „Du hast Fabian Meyer in die Leichenhalle gebracht?“. „Fabian? Fabian? Ach ja, richtig. Keine Augen, kein Herz … einer von denen, oder? Auch keine Börse, wenn ich mich richtig erinnere.“, stammelte dieser schmutzige Halunke, der auf Anhieb ziemlich unsympathisch wirkte. Geralt ignorierte die Anspielung auf die angeblich fehlende Börse vorerst, um nachzuhaken: „Einer von denen? Es gab also mehrere solche Leichen?“. „Oh ja. Bettler, Gassenjungen, Bordsteinschwalben. Eine von denen war so stattlich, ich musste sie in Teile schneiden, um sie auf meinen Karren zu bekommen. 'Schlüpfrige Schnepfe' nannte man die wegen ...“, stammelte der Unsympath, als Geralt unterbrach: „Über manche Dinge schweigt man besser. Was ist mit den Einzelteilen passiert?“. „Was meinst du? Hochwürden Nathaniel hat angeordnet, die müssen verbrannt werden. So eine Schande ...“, schwadronierte der Schmutzfink, als Geralt erneut barsch dazwischenging, um sich extrem perverse Details zu ersparen: „Du hast Fabians Leiche durchsucht?“.

„Na ja, ich hab seine Taschen durchsucht, nur damit nichts umkommt.“, druckste Eustachius. „Nennen wir die Dinge beim Namen – du bist ein Fledderer!“, stellte unser Ermittler streng klar. „Gut, nennen wir sie beim Namen – das geht dich einen Scheißdreck an! Was bist du, ein Steuereintreiber? Verpiss dich, Mutant!“, bellte der überführte Leichendieb wütend. Geralt dachte an Gus, an andere Hinterbliebene, die vielleicht über das ein oder andere persönliche Andenken an den verblichenen Angehörigen … Eine herzhafte Maulschelle war hier mehr als angebracht, für diesen herzlosen Arschwichser. Doch galt es vorher etwas herauszufinden, dabei sollte, wie bei allen arrogant verstockten Bösewichten, das Axii helfen. Geralt wirkte das Zeichen und befahl: „Was hatte er in den Taschen? Rede!“. (40Exp) „Jaaa … Wie du willst. Nur Tand und Schnickschnack. Ein paar Münzen. Einen Brief … schau. Aus erstklassigem Pergament. Ich wische die Schrift ab und verkauf es als neu.“, stammelte der Schmierlappen, nun gezwungen ehrlich. Geralt nahm das 'Pergament' – offensichtlich Menschenhaut. Was er darauf lesen musste, war: „Priscilla“. „Der Name des nächsten Opfers steht hier. Wenn du dies der richtigen Person übergeben hättest … wäre ihr vielleicht nichts passiert.“, sagte er streng zu Eustachius. Doch bei diesem innerlich und äußerlich derbe verschmutzten Halunken ließ die reinigende Wirkung des Axii bereits nach. „Was zur Hölle kümmert mich irgendeine Presilla? Haben wir nicht genügend Frauen in der Stadt?“, bellte Eustachius böse. Geralt haute ihm ein gewaltig volles Pfund direkt in die dreckige Fresse. Der Leichenfledderer hob gut einen Meter vom Boden ab, legte sich dann klatschend in eine der blutigen Gewebepfützen. Als er wieder zu sich kam, schimpfte der diebische Leichensammler: „Hey, verdammte Scheiße! Wofür war das denn?“. „Für alles. Was du Scheißmade, während deines armseligen Lebens, deinen Mitmenschen so antust.“, brummte unser Hexer und trollte sich. Mit flinken Füßen ging es zum nächsten Stadttor. Ein Pfiff und Plötze trabte fröhlich wiehernd an, um ihn …